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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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auf dem Parkplatz vor dem 7-Eleven. Ich denke darüber nach, mit welch einer Begeisterung Helen Mickey beim Essen über den Truthahn hinweg angesehen hat. Ich denke auch über Pulkowski nach und darüber, dass er ein wenig mehr Farbe im Gesicht gehabt hat. Und hin und wieder denke ich auch über meine Schützlinge nach.
    Irgendwann zeigt die Wanduhr mir an, dass es Zeit ist, mich auf den Weg ins Chili Choo Choo zu machen, wo Teddy mit Gott weiß was für einer neuen Bombe wartet, um sie mir vor die Füße zu werfen. Vielleicht ist Inga schwanger. Vielleicht möchten sie, dass ich die Patenschaft übernehme. Ich ziehe den Mantel an und gehe zum Aufzug. Marcie telefoniert gerade, winkt mir aber zu und formt mit den Lippen ein »Viel Glück!«, als ich vorbeigehe. Zweifelsohne weiß sie, wohin ich gehe. Marcie weiß alles.
    Ich sehe Teddy an einem runden Tisch im hinteren Teil des Chili Choo Choo sitzen und wartend an einer Tasse Kaffee nippen. Ich sehe ihn, bevor er mich sieht, und da ist alles, was ich einmal geliebt habe: die haselnussbraunen Augen, die matte Olivenhaut, die vereinzelt abstehenden braunen Härchen über den Ohren. Er entdeckt mich und setzt sein falsches Lächeln auf, und da ist alles, was ich schon immer gehasst habe: das weichliche Kinn, all die Versprechen, mir die Sterne vom Himmel zu holen, die über diese schmalen Lippen gekommen sind, die kleinen weißen Zähnchen, die aussehen, als hätten sie sich nach dem siebten Geburtstag geweigert weiterzuwachsen.
    Schalen mit Chili kreisen auf einem Transportband im Raum. Sie gleiten an seinem Kopf vorbei und verschwinden dann in einer Holzbrücke. Das hier ist ein »Themen«-Restaurant, von denen es inzwischen viele auf Long Island gibt. Teddy liebt »Themen«-Restaurants. Er liebt Themen ganz allgemein, zum Beispiel das Rechtsanwaltthema seiner angeblichen Karriere. Und bei diesem Mittagessen haben wir es vermutlich mit dem schmalzigen Thema »Wie es einmal mit uns war« zu tun, wenn es nach ihm geht. Er erhebt sich, als ich näher komme, drückt mich mehrmals an sich und klopft mir wiederholt auf den Rücken. Ich kann an nichts anderes denken, als daran, dass er es vermutlich auf die Mikrowelle zu dem bereits entwendeten Servierwagen abgesehen hat.
    »Roseanna«, seufzt er, als kämen wir jetzt zu seinem großen Auftritt im Film, und ich weiß nun mit Sicherheit, dass es bei diesem Essen nicht ums Küssen und Wiedergutmachen gehen wird.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragt er in die unaufrichtige Umarmung hinein.
    »Besser«, sage ich und mache mich von ihm los.
    Er rückt mir einen Stuhl zurecht, was er in den vier Jahren unserer Ehe kaum jemals gemacht hat.
    »Du siehst umwerfend aus«, sagt er.
    »Bitte, Teddy. Lass den Scheiß.«
    Er lässt ihn. Sein Gesichtsausdruck ändert sich. Seine Augen werden dunkel und verschwommen, und er scheint weit fort zu sein, obwohl er mir gegenübersitzt.
    »Wie ich höre, hast du etwas mit jemandem aus dem Supermarkt«, sagt er.
    »Ich habe mit niemandem etwas«, entgegne ich ihm. »Und jemand, der mit der besten Freundin seiner Frau schläft, hat kein Recht, über so etwas zu sprechen.«
    Teddy und ich schweigen einen Moment. Ich scheine ihm einen Dämpfer verpasst zu haben. Jemand aus dem Supermarkt . Wenn er wüsste, was Ham alles ist und er nicht.
    »Also gut, da dir anscheinend nicht nach Small Talk zumute ist, will ich gleich zum Punkt kommen. Ich, äh, möchte eigentlich die Scheidung.«
    Ich mache den Mund auf, um etwas zu sagen, doch nichts kommt heraus. Die Chilischüsseln rattern über uns hinweg. In diesem Tohuwabohu versuche ich zu erfassen, was Teddy zu mir gesagt hat. Dann schweige ich und warte auf eine Reaktion aus meinem Inneren.
    »Ich bin sicher, dass dich das nicht überrascht«, fährt er fort. »In Anbetracht der Umstände. Ich dachte, vielleicht könnten wir heute ein bisschen darüber reden, wie wir unsere Verhältnisse regeln sollen.«
    »Eine hervorragende Idee«, sage ich ruhig.
    »Was?«
    Ich werfe einen Blick auf Teddy, der verwirrt aussieht.
    »Lass uns unsere Verhältnisse regeln«, höre ich mich erneut sagen.
    Teddy sieht mich misstrauisch an. »Machst du dich etwa über das Wort Verhältnis lustig, Roseanna? Wenn es das ist, um was es dir geht …«
    Armer Teddy. Die Schuldgefühle. Ich lasse ihn einen Moment schmoren. »Nein«, sage ich schließlich.
    Das verwirrt ihn noch mehr. »Soll das heißen, dass du … die Entscheidung nicht anfechten willst?«
    Ich schüttele den Kopf.

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