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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nella Larsen
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Frauen von halb Harlem zur Verzweiflung … Wie kriegst du das bloß hin? … Himmlisch, ist das Worth oder Lanvin? … Oh, bloß ein Babani …«
    »Nur der«, gab Felise Freeland zu. »Heraus mit der Sprache, Irene, was immer es ist. Du siehst ja aus wie der zweite Totengräber im Hamlet.«
    »Danke für die Blumen, Felise. Ich bin nicht ganz auf der Höhe. Vermutlich das Wetter.«
    »Kauf dir ein teures Kleid, Mädchen. Das hilft immer. Jedes Mal, wenn das Mädchen hier den Blues kriegt, heißt das, Dave muss was springen lassen. Wie geht’s deinen Jungen?«
    Die Jungen! Ausnahmsweise hatte Irene sie vergessen.
    Es gehe ihnen bestens, sagte sie. Felise murmelte etwas, wie schön, und nun müsse sie schleunigst weg, denn, o Wunder, sie sehe Mrs. Bellew allein dasitzen, »und ich habe schon den ganzen Nachmittag versucht, sie allein zu erwischen. Ich will sie für eine Party. Ist sie heute nicht umwerfend?«
    Das war Clare. Irene konnte sich nicht erinnern, dass sie je besser ausgesehen hatte. Sie trug ein im höchsten Grade schlichtes zimtbraunes Kleid, das ihre strahlende Schönheit herausstellte, und eine aparte goldene Kappe. Um den Hals hatte sie eine Kette aus Bernsteinperlen, die für sechs oder acht Ketten wie die eine von Irene gereicht hätten. Ja, sie war umwerfend.
    Die Gespräche plätscherten dahin. Das Kaminfeuer prasselte. Die Schatten wurden länger.
    Gegenüber im Raum stand Hugh. Irene hoffte, dass er sich nicht allzu sehr langweilte. Er schien wie immer ein wenig reserviert, ein wenig belustigt und etwas müde zu sein. Und wie gewöhnlich hielt er sich am Bücherregal auf. Aber er schaute nicht in das Buch, das er sich herausgenommen hatte. Seine verschatteten bernsteinfarbenen Augen waren von etwas gefesselt, das sich auf der anderen Seite des Raums befand. Sie waren eine Spur verächtlich. Hugh hatte ja nie viel für Clare Kendry übriggehabt. Einen Augenblick lang zögerte Irene, dann drehte sie den Kopf, obwohl sie wusste, wen Hugh anstarrte. Clare, die unversehens ihr Leben verdüstert hatte. Und Brian, Vater von Ted und Junior.
    Clares elfenbeinfarbenes Gesicht war schön wie immer und einschmeichelnd. Vielleicht heute ein wenig maskenhaft. Es enthüllte nichts. Es war unverändert, durch keinerlei Regung, von innen oder außen, beunruhigt. Brians Gesicht kam Irene bedauernswert nackt vor. Oder war es auch wie immer? Diesen halb verschleierten forschenden Blick, hatte er den immer schon? Seltsam, dass sie es jetzt nicht wusste, sich nicht erinnern konnte. Dann sah sie ihn lächeln, und das Lächeln ließ sein Gesicht erwartungsvoll erstrahlen. Angetrieben von einem Impuls, sich selbst nicht preiszugeben, blickte sie woanders hin. Doch nur einen Moment lang. Und als sie sich den beiden wieder zuwandte, war sein Gesicht so melancholisch und zugleich spöttisch, wie sie es bei ihm noch nie gesehen hatte.
    In der nächsten Viertelstunde gab sie Bianca Wentworth in der Sixty-Second Street, Jane Tenant in der Seventh Avenue, Ecke 150th Street und den Dashields in Brooklyn eine Essens-Zusage für den selben Abend und fast zur selben Stunde.
    Na und, was bedeutete das schon? Sie dachte überhaupt nichts und war nur völlig erschöpft. Vor ihren müden Augen unterhielt sich Clare Kendry mit Dave Freeland. Bruchstücke ihrer Konversation, in Clares rauchiger Stimme, drangen zu ihr »… habe Sie immer bewundert … habe von Ihnen schon lange so viel … jeder sagt das … niemand anders als Sie …« Und dergleichen mehr. Der Mann hing verzückt an ihren Lippen, obwohl er doch Felise Freelands Ehemann war und Autor von Romanen, die ihn als Mann mit Urteilsvermögen und von vernichtender Ironie auswiesen. Und der war so hingerissen von diesem Papperlapapp! Und das nur, weil Clare den Trick draufhatte, die Elfenbeinlider über die eindrucksvollen schwarzen Augen gleiten zu lassen und sie dann hochzuziehen und einschmeichelnd zu lächeln. Männer wie Dave Freeland waren davon hingerissen. Und Brian.
    Ihre geistige und körperliche Mattigkeit ließ langsam nach. Brian. Was bedeutete das Ganze? Was würde es für sie und die Jungen heißen? Die Jungen! Eine Welle der Erleichterung überkam sie. Ebbte ab, verschwand. Es folgte das Gefühl, völlig unwichtig zu sein. Eigentlich zählte sie nicht. Sie war für ihn nur die Mutter seiner Söhne. Das war alles. Allein war sie nichts. Schlimmer. Ein Hindernis.
    Zorn kochte in ihr hoch.
    Ein leises Klirren war zu hören. Auf dem Boden zu ihren Füßen lag die

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