Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nella Larsen
Vom Netzwerk:
unähnlich war, ihr unverständlich blieb, nicht fassbar.
    Er war ruhelos und dann wieder nicht. Er war unzufrieden, aber es gab Zeiten, da sie das Gefühl hatte, als hätte ihn insgeheim eine tiefe Zufriedenheit erfasst, wie eine Katze, die Sahne genascht hat. Er war den Jungen gegenüber gereizt, besonders Junior gegenüber, denn Ted schien verblüffend gut zu wissen, wann sein Vater sich in seiner Lass-mich-in-Ruhe-Stimmung befand, und hielt sich möglichst fern von ihm. Sie gingen ihm auf die Nerven, trieben ihn zu Wutanfällen, sehr verschieden von seinen üblichen mild sarkastischen Bemerkungen, die seine Idee von Disziplinierung ausmachten. Andererseits war er ihr gegenüber aufmerksamer als sonst und schonte sie. Und es war schon Wochen her, seit sie die Schärfe seiner Ironie spüren musste.
    Er war wie ein Mann, der auf der Stelle tritt, wartet. Aber auf was wartete er? Es war ungewöhnlich, dass sie nach all den Jahren genauer Wahrnehmung jetzt nicht erkennen konnte, was es mit diesem offensichtlichen Warten auf sich hatte. Dass sie den Grund für sein Verhalten nicht herausfand, obwohl sie ihn beobachtete und ständig analysierte, erfüllte sie mit Bangen. Seine Reserviertheit kam ihr ungerecht vor, rücksichtslos und beunruhigend. So, als wäre er, unerreichbar für sie, in einen Bereich eingetreten, fremd und von Mauern umgeben, wo sie an ihn nicht herankam.
    Sie schloss die Augen und dachte, wie wohltuend es wäre, wenn sie etwas schlafen könnte, bevor die Jungen aus der Schule kamen. Natürlich würde das nicht klappen, obwohl sie in letzter Zeit wegen der vielen schlaflosen Nächte übermüdet war. Nächte voller Fragen und Vorahnungen.
    Aber sie schlief tatsächlich – etliche Stunden.
    Sie wachte auf und fand Brian an ihrer Bettseite stehen, er schaute auf sie mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen.
    Sie sagte: »Ich muss eingeschlafen sein« und bemerkte einen Anflug seines alten, amüsierten Lächelns auf seinem Gesicht.
    »Es ist bald vier«, sagte er und meinte damit, dass sie sich wieder verspäten würde.
    Sie unterdrückte die rasche Antwort, die ihr auf der Zunge lag, und sagte stattdessen: »Ich stehe gleich auf. Lieb von dir, mich zu rufen.« Sie setzte sich auf.
    Er verbeugte sich. »Wie immer der fürsorgliche Ehemann.«
    »Ja, stimmt. Gott sei Dank ist alles fertig.«
    »Bis auf dich. Ja, und Clare ist unten.«
    »Clare! Wie ärgerlich! Ich habe sie nicht eingeladen. Absichtlich nicht.«
    »Verstehe. Könnte jemand, der bloß ein Mann ist, fragen, warum? Oder ist der Grund so subtil weiblich, dass Mann es nicht verstehen würde?«
    Eine Spur seines Lächelns zeigte sich wieder. Irene, die bei seinem vertrauten Geplänkel etwas von ihrer Niedergeschlagenheit abzuschütteln begann, sagte beinah fröhlich: »Überhaupt nicht. Es ist nur so, dass diese Party zufällig für Hugh ist und dass Hugh sich zufällig nicht so viel aus Clare macht; darum habe ich, zufällig die Gastgeberin, sie zufällig nicht eingeladen. Nichts könnte einfacher sein. Oder?«
    »Nichts. Es ist so einfach, dass ich leicht über deine einfache Erklärung hinaussehen und mutmaßen kann, Clare hat wahrscheinlich Hugh nie die bewundernde Aufmerksamkeit geschenkt, die er zufällig als sein angestammtes Recht betrachtet. Einfachste Sache der Welt.«
    Irene rief erstaunt aus: »Hör mal, ich habe gedacht, du magst Hugh! Du glaubst das doch nicht, du kannst so was Blödsinniges nicht glauben!«
    »Na ja, Hugh denkt tatsächlich, er ist Gott.«
    »Das«, erklärte Irene, während sie aus dem Bett stieg, »ist absolut nicht wahr. Er ist so überzeugt von sich, dass er sich für deutlich besser hält, was du, der du ihn kennst und gelesen hast, wissen solltest. Wenn du dich erinnerst, wie gering er Gott einschätzt, würdest du einen so dummen Fehler nicht machen.«
    Sie betrat den begehbaren Kleiderschrank, um sich Sachen zu holen, hängte das Kleid über die Stuhllehne und stellte die Schuhe daneben auf den Boden. Dann setzte sie sich vor ihre Frisierkommode.
    Brian sagte nichts. Er stand weiter neben dem Bett und schien auf nichts Besonderes zu schauen. Jedenfalls nicht auf sie. Zwar ruhte sein Blick auf ihr, aber so, dass sie das Gefühl bekam, sie wäre in diesem Augenblick für ihn nicht mehr als eine Glasscheibe, durch die er sah. Auf was? Sie wusste es nicht, konnte es nicht erraten. Und das war ihr nicht geheuer. Kränkte sie.
    Sie sagte: »Ganz zufällig zieht Hugh intelligente Frauen vor.«
    Brian war

Weitere Kostenlose Bücher