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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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gefälligst seine Klappe halten sollte, wenn er am Ende nicht wollte, dass man seine Worte abdruckte, aus mir raus, während Tim mir beipflichtete und dabei meinen Nacken, Rücken, Hals und meine Schultern durchknetete. Kein Wunder, dass ich Tim danach in meinem völlig entspannten Zustand nicht gehen lassen konnte, als er sich mit den besten Vorsätzen direkt auf den Weg zum Kindergarten machen wollte, um Kai abzuholen. Dieses Mal zog ich ihn zu mir auf die Matratze und verführte ihn nach allen Regeln der Kunst.

    Ich hatte eindeutig die falschen Signale gesendet, und dementsprechend breit war Tims Grinsen, als wir uns einige Tage danach wiedersahen. Es drückte deutlich aus, was er dachte: Karina braucht mich, und sie kann nichts dagegen tun. Das rieb er mir schon bei der Begrüßung unter die Nase: »Wofür brauchst du mich jetzt genau?«
    »Das habe ich dir doch schon am Telefon erklärt.«
    »Ja, aber ich will es noch mal von dir hören und dir dabei in die Augen schauen.«
    Ich atmete laut ein und wäre am liebsten gleich wieder gegangen.
    »Komm schon, sag es nur noch einmal, damit ich auch sicher bin, dass ich dich richtig verstanden habe!«
    »Zum Schuhekaufen!«, zischte ich. »Okay? Ich will, dass du mit mir Sportschuhe kaufst!«
    Daran war doch nun wirklich nichts Anstößiges. Im Gegenteil, ich hatte Tims Wunsch nach einem weiteren Treffen dieses Mal problemlos widerstanden – und ihn stattdessen zum Schuhkauf verdonnert.
    »Du weißt aber, dass Sportschuhe in erster Linie zum Sport benutzt werden?«, stichelte Tim weiter. Ich verdrehte genervt die Augen.
    »Es ist nicht für mich, sondern für Tina. Ich meine, die Schuhe sind schon für mich, aber der Sport ist … für Tina.«
    »Schon klar. Nur, damit du mir später nicht vorwirfst, ich hätte dich nicht gewarnt: Auch Sport für einen guten Zweck kann zu Muskelkater und Gewichtsverlust führen.«
    »Okay, das reicht.«
    Ich machte auf der Stelle kehrt und wollte aus dem fünfstöckigen Sportgeschäft fliehen, das mir schon beim Betreten ein mulmiges Gefühl bereitet hatte. Aber Tim war mit seinem leichten Trainingsvorsprung schneller und versperrte mir den Weg.
    »Was ist schlimmer, meine Sticheleien in der nächsten halben Stunde oder Tinas Vorwürfe für den Rest deines Lebens?«
    Tim wusste, dass ich in der Zwickmühle saß. Tina hatte seit ihrer letzten Hochzeit vor fünf Jahren wahnwitzige drei Kilogramm zugenommen. Damit lag sie immer noch mindestens zehn Kilo unter ihrem Idealgewicht, aber diese drei Kilo waren nun mal dafür verantwortlich, dass ihr altes Hochzeitskleid nicht mehr wie angegossen saß. Ein Drama, schließlich sollte doch »alles so sein wie bei der ersten Hochzeit«. Ich wusste schon nicht mehr, wie oft ich diesen Satz inzwischen gehört hatte, und um sie zum Schweigen zu bringen, hatte ich mich von ihr schließlich zum »Nordisch Gehen« überreden lassen. Sie nannte es extra so, um es mir mehr als Spaziergang denn als Training unterzujubeln. Sie wusste, dass ich Sport verabscheute, obwohl ich dank Kai inzwischen im Kinder-Fünfkampf sehr trainiert war. Einhändiger Kinderwagenslalom um dämlich parkende Autos, Stemmen, Reißen und Hochwerfen eines ständig schwerer werdenden Gewichts, Kurzsprints hinter kleinen Ausreißern her – das alles hatte meine Form beträchtlich gesteigert. Tina hatte dieses Sportgerät leider nicht zur Hand und musste auf klassische Sportarten zurückgreifen. Bis zur Hochzeit in zweieinhalb Monaten mussten die drei Kilo weg sein. Und ausgerechnet ich sollte dabei ihr schlechtes Gewissen spielen und sie zur Disziplin zwingen. Wenn ich jetzt kniff, würde Tina mich nicht nur für das schlecht sitzende Hochzeitskleid verantwortlich machen, sondern für alles Übel, das ihr in Zukunft möglicherweise zustoßen würde und einzig und allein auf dieses schlechte Omen, diesen winzigen Schandfleck in ihrer ansonsten perfekten Hochzeitskopie, zurückzuführen wäre.
    Ich stöhnte: »Also gut, bringen wir es hinter uns«, und keine zwei Sekunden später steuerte ein übereifriger Verkäufer mit einem falschen Lächeln auf uns zu.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja«, sagte Tim freundlich.
    »Nein!«, versuchte ich ihn zu übertönen und warf ihm dabei einen strafenden Blick zu. Wofür hatte ich Tim denn um Hilfe gebeten, wenn ich mich jetzt doch noch mit provisionsgesteuerten, übergewichtigen Verkäufern herumschlagen musste, die ihre eigene Sportausrüstung nur aus dem Katalog kannten.
    Tim überhörte

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