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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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mein Veto und wandte sich vertrauensvoll an den Verkäufer, der meiner Spontandiagnose zufolge vermutlich aufgrund seines deutlichen Bierbauches unter Bluthochdruck litt und deswegen ungesund rot im Gesicht war. »Wir suchen Sportschuhe.«
    »Da sind Sie bei uns genau richtig.«
    Natürlich waren wir das, sonst bestünde die erste Silbe im Namen dieser Ladenkette vermutlich nicht aus dem Wort Sport.
    »Damen oder Herren?«, flötete der krebsrote Mann weiter, während er sich die schweißbedeckte Stirn abtupfte und ich betete, dass wir nicht die Kunden sein würden, vor denen er den absehbaren Herzinfarkt bekäme.
    »Für die Dame«, erwiderte Tim schon in demselben albernen Flötton.
    »Running oder Walking?«
    Dieses Mal sahen sich beide Männer fragend nach mir um, und ich murmelte: »Gehen.«
    »Classic oder Nordic?«, bohrte der Herzinfarktkandidat weiter nach und Tim griff vorsichtig nach meinem Arm, weil er spürte, dass ich fast wieder auf dem Absprung war.
    »Nordisch. Schuhgröße achtunddreißig, nicht teurer als achtzig Euro!«
    Ich hoffte, damit weiteren »oder«-Fragen zuvorzukommen, und starrte den Verkäufer herausfordernd an. Der schien tatsächlich endlich alle notwendigen Informationen zu haben und führte uns zu dem Regal, in dem Damen- und Herren-, Walking- und Running-Schuhe nebeneinander aufgereiht waren. Er nahm sich wahllos ein Exemplar heraus und feuerte die auswendig gelernte Fachjargonsalve auf uns ab, die mich ohne Tims Anwesenheit augenblicklich zum Verlassen des Kaufhauses gebracht hätte.
    Ich hatte keine Ahnung, ob das beliebte Allround-Model mit der nahtlosen Mesh-Verarbeitung und den stabilisierenden Overlays, der Zoom-Air-Dämpfung im Vorfuß, abgerundet mit einer Karbongummi-Sohle mit Waffelstruktur das Richtige für mich war oder ob ich zur Überpronation neigte, der man durch das Crash-Pad in der Ferse oder Biomorphic-Einsätzen zur Mittelfußunterstützung entgegenwirken konnte. Der Verkäufer schien mehr an mir zu verzweifeln als ich an ihm, und als er als letzte Maßnahme vorschlug, meine Fußstellung durch einen Testwalk auf dem computergesteuerten Laufband zu analysieren, konnte nur Tims beherztes Eingreifen mich davon abhalten, den Verkäufer nach seinem Schein in Anatomie zu fragen. Tim schickte den noch röter gewordenen Mann schließlich höflich weg und reichte mir einen Schuh aus dem Regal, den er vorher ausführlich gebogen, gedehnt und befühlt hatte.
    »Warum nicht gleich so?«, fragte ich ihn entnervt.
    »Weil ich erst sehen wollte, wie schnell du den Verkäufer dieses Mal zur Verzweiflung bringst«, grinste er mich an. Er fühlte, ob mein großer Zeh genug Platz hatte, drückte hier und da und forderte mich auf, ein paar Schritte zu gehen. Und schon hatten wir einen geeigneten Schuh gefunden.
    »Na, Gott sei Dank. Dann nichts wie raus hier. Ich muss dringend zurück in die Redaktion, der Typ hat meine ganze Mittagspause vergeudet.«
    »Moment, hast du nicht noch etwas vergessen?«, rief Tim mir hinterher.
    »Ähm, nein?« Ich sah ihn fragend an.
    Sein Grinsen wurde schon wieder breiter.
    »Vielen Dank für deine Hilfe«, sagte ich übertrieben freundlich. »Oder was meinst du?« Er konnte doch nicht ernsthaft erwarten, dass wir jetzt noch zu Tina fuhren.
    »Dass du hoffentlich nicht vorhast, mit deiner alten zerlöcherten, farbbeklecksten Jogginghose walken zu gehen.«
    »O nein!« Ich verzog leidend mein Gesicht.
    »O doch.«
    Ehe ich noch etwas sagen konnte, fand ich mich mit fünf verschiedenen schweißabweisenden, atmungsaktiven grauschwarzrosa Freizeithosen-Modellen in der Umkleidekabine wieder. Eine Hose lag enger an als die andere, und ich weigerte mich trotz Tims beharrlichem Bitten, damit vor die Kabine zu treten.
    »Und wie ist die?«, fragte Tim allmählich ebenfalls genervt.
    »Kontraproduktiv!«
    »Kontraproduktiv?!«
    »Ja, diese verdammten Hosen betonen doch jedes verfluchte Gramm zuviel auf den Hüften. So viel kann ich gar nicht trainieren, dass ich in dieser Hose mal schlank aussehe.«
    »Probier die mal«, sagte Tim und betrat mit einer einfachen Baumwoll-Jogginghose, die der Verkäufer von eben vermutlich als classic bezeichnet hätte, die Kabine. Ich nahm ihm die Hose aus der Hand und schickte Tim mit einem auffordernden Blick wieder nach draußen. Aber er folgte meiner Aufforderung nicht, sondern zog demonstrativ den Vorhang von innen zu. »Wenn du nicht rauskommst, muss ich wohl reinkommen.«
    »Natürlich.«
    Ich beachtete seinen

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