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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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Tim, während er dem Vordermann, der in seinem Ford Ka mit geschätzten dreißig über die Neusser Straße kroch, mit einer Engelsgeduld hinterherfuhr.
    »Ach, dachtest du«, wiederholte ich etwas gereizt, weil für Tim alles so selbstverständlich zu sein schien.
    »Ja, du hast doch den Schlüssel zu ihrem Haus, oder? Und Tina und Aygün sind um diese Uhrzeit nie zu Hause.«
    Unglaublich. Er hatte tatsächlich alles von hinten bis vorne durchgeplant. Wir konnten nicht zu ihm, wegen Sarah. Wir konnten nicht zu mir, wegen Hannes oder der Putzfrau, die unverhofft zwischendurch hereinschneien konnten, ganz zu schweigen von dem Geschwätz der Nachbarn und der damals eher im Scherz getroffenen Abmachung, Affären außerhalb der gemeinsamen Wohnung abzuhalten. Also trafen wir uns auf neutralem Territorium. Wirklich, sehr clever.
    Ich schaute Tim von der Seite an. Vielleicht bemerkte er meinen Blick nicht, oder der Schneckenkriecher vor ihm erforderte seine ganze Aufmerksamkeit, auf jeden Fall ließ er sich in keiner Weise anmerken, dass es ihm vielleicht etwas unangenehm war, dass er die ganze Situation möglicherweise auch so komisch fand wie ich.
    »Ich muss aber um drei am Geißbockheim sein, Pressekonferenz.«
    Jetzt lächelte Tim mich sogar an. »Gut, dann haben wir ja fast eine halbe Stunde.«
    Ich sah ihn ungläubig an, aber er hatte seinen Blick schon wieder auf die Straße gerichtet. Mein Einspruch beschränkte sich daher auf ein lautes Ein- und Ausatmen.

    »Und jetzt?«
    Wir standen in dem immer noch nicht renovierten Dachgeschoss von Tinas Haus. Tim sah sich skeptisch um, und als ich seinem Blick folgte, konnte ich selbst kaum glauben, dass ich bis vor wenigen Monaten noch hier gehaust hatte. Inzwischen hatten sich der Staub und der abgeblätterte Putz den Raum zurückerobert, aber mir wäre nicht in den Sinn gekommen, mit Tim in ein anderes Zimmer, womöglich sogar Tinas und Aygüns Schlafzimmer, zu gehen. Sich mit ihm heimlich hier hochzuschleichen fand ich schon peinlich genug.
    »Was machen wir jetzt?«, wiederholte ich noch einmal etwas sarkastischer meine Frage. »Fallen wir jetzt übereinander her?«
    Tim schaute mich nun doch etwas verkrampft an und schien sich gerade erst der Absurdität dieser Situation bewusst zu werden.
    Er zuckte mit den Schultern. »Wenn du willst.«
    Das brachte mich in null Komma nix auf die Palme. »Wieso ich? Du bist doch derjenige, der das Ganze hier organisiert hat.«
    »Und du bist gekommen«, konterte Tim gelassen.
    »Ja, aber nicht … dafür!«
    »Sondern?«
    »Weil ich … weil ich … weil ich mit dir reden wollte«, fuhr ich Tim aufgebracht an, aber ihn schien heute nichts aus der Ruhe zu bringen. »Schön, um so besser«, erwiderte er stattdessen freundlich. »Dann reden wir.«
    Fassungslos schaute ich ihn an. Wie konnte jemand gerade seine Freundin mit seiner Exfreundin betrügen wollen und dabei so unschuldig wirken?!
    »Worüber?«, schob Tim vorsichtig hinterher, als ich ihn immer noch entgeistert anstarrte.
    Zum Beispiel darüber, dass du mich nicht geheiratet, sondern stattdessen diese singende Französischlehrerin flachgelegt hast. Dass du erst Tina gefragt hast, statt mich. Dass wir uns deswegen zum Sex jetzt heimlich in ihrem Dachgeschosszimmer treffen müssen, statt zu Hause im Schlafzimmer. Es gab so vieles, über das wir hätten reden können. Aber ich kam mir plötzlich albern vor, ihm jetzt noch all diese Dinge unter die Nase zu reiben. Inzwischen war so viel passiert. Und wer weiß. Vielleicht hatte Tina auch übertrieben. Vielleicht hatte Tim nie vorgehabt, mich zu heiraten, sondern nur einen Scherz gemacht. Tina verstand Tims Humor manchmal nicht und nahm Hochzeitsangelegenheiten bekanntlich sehr ernst.
    »Vergiss es«, ich schüttelte den Kopf und fühlte mich plötzlich schlaff wie ein zum Bersten aufgeblasener Ballon, aus dem jemand die Luft rausgelassen hatte. »Ich hätte gar nicht erst mitkommen sollen.«
    Aber Tim machte einen Schritt auf mich zu und umfasste meine Hüften. Dann sagte er leise: »Nein, du hast recht, lass uns einfach reden, egal über was. Ähm, woran arbeitest du gerade?«
    Ich starrte geschafft auf den Boden, musste dann aber gegen meinen Willen schmunzeln. »Halbroboter im Hochleistungssport«, wiederholte ich meinen albernen Titel und konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken.
    »Was?« Tim lachte ebenfalls, ohne zu wissen, worum es ging.
    Ich hob meinen Kopf und schaute ihn nun wesentlich freundlicher an, während ich

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