SEK – ein Insiderbericht
übereinstimmend, dass er einen ruhigen und abgeklärten Eindruck gemacht und ihnen auch die von ihm mitgeführten Handgranaten gezeigt hat. Aus diesem Grund hielt er es auch nicht für nötig, die von ihm festgehaltenen Geiseln zu fesseln, da er gedroht hatte, die Handgranaten zu zünden, falls jemand einen Fluchtversuch machen würde.
Wir atmen ein wenig durch. Da der Täter nunmehr niemanden mehr unmittelbar bedrohen kann, hat sich die Lage erheblich zum Vorteil gewandelt. Nachdem wir die Geiseln ein paar Kollegen übergeben haben, die sie in ärztliche Obhut bringen, richtet sich unser Augenmerk nun auf den Bereich des Haupteingangs, da wir unter diesen Umständen eigentlich nur verhindern müssen, dass der Täter mit seinen Handgranaten versucht, die Bank zu verlassen. Wir gehen in einer langen Reihe hinter dem ballistischen Schutzschild in Richtung des Haupteingangs in Position und sind von diesem etwa zehn Meter entfernt.
Über Funk informiert uns die Befehlsstelle, dass gerade versucht wird, mit dem Täter telefonisch in Kontakt zu treten, um ihm die Sinnlosigkeit der jetzigen Situation klarzumachen und ihn zur Aufgabe zu bewegen. Aber auch jetzt geht der Täter nicht ans Telefon. Ich nehme meinen Helm kurz ab und lege mein Ohr an die Hauswand des Bankgebäudes, um eventuell das Klingeln des Telefons oder andere Geräusche wahrzunehmen. Und in der Tat: Ich glaube, ein merkwürdiges Knistern zu hören. Meinen Kollegen, die mich erwartungsvoll anblicken, flüstere ich zu: »Da knackt irgendwas …«
In diesem Moment erfolgt im Inneren der Bank eine laute Detonation. Vor lauter Schreck mache ich aus dem Stand einen respektablen Satz in die Luft, und während ich mir hastig wieder meinen Helm auf den Kopf stülpe, sehen wir, wie sich das neben dem Haupteingang befindliche Fenster des Filialleiterbüros wie eine Gummiwand nach außen wölbt, aber erstaunlicherweise nicht zersplittert. Wir schauen uns alle an und wissen, dass dies die Detonation einer Handgranate gewesen sein muss, auch wenn wir keine Ahnung haben, was das zu bedeuten hat. Uns ist jedoch sofort klar, dass wir nicht weiter zulassen können, den Täter unkontrolliert mit Handgranaten um sich werfen zu lassen. Heiner gibt das Signal zum Zugriff.
Armin, ein bulliger Kollege aus Jacks Gruppe, der heute auch in Heiners Rufbereitschaftsgruppe eingeteilt war, tritt nun aus unserer Reihe heraus und nimmt ein paar Meter vor der gläsernen Eingangstür Aufstellung. Er ist mit einer Schrotflinte ausgerüstet und beginnt unverzüglich, systematisch auf die Glasscheibe der Eingangstür zu schießen. Ziel ist, den Glaseinsatz der Tür – es handelt sich ja um Sicherheits-, nicht um einfaches Fensterglas – durch den Beschuss so zu schwächen, dass er danach mithilfe eines Spatens großflächig genug herausgeschlagen werden kann, um durch das entstandene Loch in die Bank einzudringen.
Armin hält nach einer schnellen Schussfolge die Schrotflinte mit dem Lauf nach oben – das Zeichen für uns, an die Tür heranzutreten. Ossi und Rainer, die ersten beiden Kollegen in unserer Reihe, springen vor, und Ossi beseitigt mit dem Spaten die Reste der zerschossenen Glasscheibe. Ich höre Heiners ruhige Stimme im Lautsprecher meines Helms: »Wir gehen langsam vor, kein Risiko, da ist nur noch der Täter drin.« Klar, es geht jetzt nicht mehr um eine Geiselbefreiung. Wenn wir uns langsam und kontrolliert vorarbeiten, können wir uns besser gegenseitig sichern, aber ob uns dies auch vor Handgranaten schützen wird, ist fraglich.
Ossi und Rainer verschwinden durch das große Loch in der Eingangstür im Inneren der Bank, und unsere Reihe von SEK-Beamten folgt ihnen dichtauf. Wir verteilen uns nach unserem so oft eingeübten System. Mit meiner Maschinenpistole im Anschlag orientiere ich mich nach Betreten der Bank mit langsamen, sehr bewusst gesetzten Schritten nach rechts, dort, wo der Kassenbereich und einige Schreibtische der Bankangestellten im Raum verteilt stehen. Aber schon jetzt höre ich über Funk die Meldung: »Hier liegt der Typ … wahrscheinlich tot.«
Die Meldung kam von der anderen Raumseite. Trotzdem arbeiten wir gewissenhaft in unserem Bereich weiter, bis wir ganz sicher sind, dass in unserem Teil des Kassenraumes wirklich niemand ist. Gleiches geschieht auch auf der anderen Raumseite, obwohl der Täter dort offensichtlich schon gefunden wurde. Erst als wir absolut sicher sind, dass die Situation unter Kontrolle ist, meldet Heiner an die
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