SEK – ein Insiderbericht
Inspektion des Haustürschlosses, vielleicht bekommen wir die Tür ja doch irgendwie leise auf. Ich möchte auf keinen Fall in dem Haus irgendeine Bewegung haben, die unseren Typen noch mucker macht. Daher scheidet ein Anruf bei irgendeinem Nachbarn auch aus. Wir treffen uns an der KW.«
»Hier Max«, antwortet dieser sofort, »bin auf dem Weg – und zu deiner Kenntnis: Wir sind einsatzklar.«
Damit ist zumindest gewährleistet, dass die Zielperson das Haus nicht mehr verlassen kann. Ich mache mich zurück auf den Weg zur KW, um mich dort mit ihm zu treffen. Wie die meisten SEK-Beamten hat auch Max mehrere Zusatzausbildungen absolviert. Er ist sowohl Präzisionsschütze als auch sogenannter Öffnungstechniker, das heißt, er hat, wie ich übrigens auch, eine Sprengbefähigung erworben und ist in der Lage, Türen auf verschiedene Art und Weise zu öffnen – zur Not eben auch durch den Einsatz von Sprengstoff. Das kommt in unserem Fall aber nicht in Frage. Der Zeitraum von der Detonation an der Haustür unten bis zum Erreichen der Zielwohnung in der ersten Etage wäre viel zu groß, die Zielperson hätte alle Zeit der Welt, die Handgranate gegen uns einzusetzen oder auch den kleinen Jungen im Nachbarzimmer als Geisel zu nehmen. Das heißt: Jedes laute Vorgehen bis zum Bereich der Wohnungstür verbietet sich für uns komplett. Wenn wir wie jetzt die Beschaffenheit von Türen zwecks deren gewaltsamer Öffnung beurteilen, so machen wir das in aller Regel zu zweit. Die Regel – vier Augen sehen mehr als zwei – hat sich schon sehr oft bewahrheitet, und ich will in dieser heiklen Situation in jedem Fall auf Max’ Sachverstand nicht verzichten.
Ich leuchte mit einer trüben Rotlichtlampe auf den Türschlossbereich der Haustür unseres Zielobjektes. Deren schwacher Lichtkegel reicht zwar aus, um die nächste Umgebung zu beleuchten, der Lichtschein ist aber wegen der geringen Streuung bereits nach ein paar Metern von außen kaum noch zu bemerken. Dies wäre bei der Nutzung von Weißlicht ganz anders. Außerdem hat das Rotlicht die Eigenschaft, die Nachtsichtfähigkeit der Augen nicht zu beeinträchtigen. Jeder kennt ja das Phänomen, dass die Augen sich den Bedingungen der Umgebung umso besser anpassen, je länger sie ihnen ausgesetzt sind. Steht man zum Beispiel nachts in freier Natur, so kommt einem nach einer Weile das gedämpfte Licht der Sterne und des Mondes so hell vor, dass man auch ohne Lampe die eigene Umgebung recht gut wahrnehmen kann. Schaltet man jedoch eine Taschenlampe mit weißem Licht ein, ist alles außerhalb des Lichtstrahls viel dunkler als zuvor. Das weiße Licht behindert die natürliche Nachtsichtfähigkeit des Auges, und deren volle Rückkehr dauert nach einer Einwirkung durch weißes Licht leider bis zu zwanzig Minuten und mehr. Die Nachtsichtfähigkeit der Augen wird aber durch die Nutzung von Rotlicht gerade eben nicht behindert.
Max und ich untersuchen den Schlossbereich der Haustür sorgfältig, und er bewegt vorsichtig die Tür durch leichten Druck im Rahmen. Bei der Haustür handelt es sich um eine in Mietshäusern häufig anzutreffende Aluminiumtür mit einem Einsatz aus Drahtglas. Diese Türen machen auf den ersten Blick einen nicht sehr stabil wirkenden Eindruck, tatsächlich aber sind sie aufgrund der federnden Eigenschaften des Materials nicht einfach gewaltsam zu öffnen, wie wir in der Vergangenheit leider schon häufiger feststellen mussten.
Max beendet seine Untersuchung an der Tür, dreht sich zu mir um und hält seinen Daumen in die Höhe, um mir zu signalisieren, dass er fertig ist. Eng an die Hauswand gedrückt verlassen wir den Bereich des Hauseingangs wieder in Richtung unserer KW. Nach wie vor hat sich im gesamten Haus nichts gerührt, und auch in unserer Zielwohnung ist an den Fenstern, die zur Straße hin liegen, kein Licht und keine Bewegung zu erkennen. Insgeheim hoffen wir natürlich alle, dass sich unser Mann zur Ruhe begeben hat und wir ihn möglicherweise im Schlaf überraschen können, was sicherlich für alle Beteiligten am besten wäre.
Nachdem wir eine ausreichende Entfernung zur Haustür hinter uns gebracht haben, sagt Max zu mir: »Die Haustür ist nicht abgeschlossen, ich konnte sie im Rahmen ein wenig hin und her bewegen. Zwischen Rahmen und Tür ist ausreichend Spielraum. Wenn ich dort einen Kuhfuß ansetze, kann ich die Tür ohne großen Aufwand aufhebeln.«
Da wir im Laufe unserer Dienstzeit beim SEK schon unzählige Türen auf die gleiche Art
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