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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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und Weise geöffnet haben, weiß ich, was Max meint und nicke mit dem Kopf. »Ok, ich werde jetzt mal mit dem Polizeiführer sprechen, und dann sehen wir weiter.« Wir setzen unseren Weg zur KW schweigend fort. Dort angekommen, wähle ich die Nummer der Einsatzleitstelle, wo sich der für diesen Einsatz zuständige Polizeiführer, Kriminaloberrat Schnitzler, mittlerweile aufhalten dürfte. Schnitzler ist mir als erfahrener höherer Kriminalbeamter bekannt, aber ich habe bisher noch keine gemeinsamen Einsätze mit ihm bestritten. Dies wird nun also unsere Premiere und keine einfache dazu.
    »Guten Abend, Herr Schulz, Schnitzler hier,« meldet er sich am Telefon. »Ich bin über die Lage im Groben informiert. Gibt es aus Ihrer Sicht neue Erkenntnisse, von denen wir bisher noch nichts wussten?«
    Ich schildere dem Polizeiführer die Lage vor Ort, so wie ich sie einschätze, und auch die letzten Erkenntnisse von Max und mir bezüglich der Hauseingangstür des Zielobjekts.
    Danach entsteht eine kurze Pause, dann wendet sich Schnitzler wieder an mich: »Herr Schulz, aufgrund der Bewaffnung der Zielperson unter anderem mit einer Handgranate und vor allem aufgrund der Tatsache, dass sich in der Wohnung ein kleines Kind aufhält, bin ich gegen einen Zugriff in der Wohnung. Ich möchte, dass Sie Vorbereitungen dafür treffen, den Täter festzunehmen, wenn er das Haus verlässt.«
    Ich bin etwas erstaunt, dass der Polizeiführer bereits so konkrete Vorstellungen zu unserem Einsatz hat. Seine Sichtweise ist vordergründig auch verständlich und auf Anhieb einleuchtend. Eine Festnahme auf offener Straße – vor allem dann, wenn die Zielperson das Haus ohne den kleinen Jungen verlassen sollte – müsste doch deutlich weniger riskant sein als ein Zugriff in der Wohnung. Ähnliche Überlegungen habe ich natürlich auch bereits angestellt, bin allerdings zu einem völlig anderen Ergebnis gekommen.
    Ich hole tief Luft und sage: »Tut mir leid, wenn ich Ihnen widerspreche, Herr Schnitzler, aber ich bin absolut gegen einen Zugriff auf der Straße, so wie Sie dies vorschlagen.«
    Wieder herrscht einen Moment Stille im Telefon, und ich kann förmlich sehen, wie sich das Gesicht des Polizeiführers ein wenig verzieht. Aber zu meinem Erstaunen antwortet er dann völlig ruhig und professionell: »Und warum sind Sie gegen einen Zugriff auf der Straße, Herr Schulz?«
    Ich antworte in genau dem gleichen ruhigen Tonfall, ohne den geringsten Anflug von Eitelkeit und Besserwisserei: »Ich bin der Auffassung, dass die Zielperson nach allem, was wir wissen, als überaus gefährlich und misstrauisch gegenüber jedermann anzusehen ist. Dies beweist allein die Tatsache, dass er in Paris einem französischen Kollegen die Waffe abnehmen konnte. Falls er sich auf offener Straße in irgendeiner Form gefährdet oder bedroht fühlt und er dort die Handgranate werfen sollte, bevor wir ihn daran hindern können, haben wir eine Situation, die sich nicht mehr beherrschen lässt. Wenn er etwa morgens zur Hauptverkehrszeit das Haus verlassen sollte, befänden sich im Zugriffsbereich möglicherweise viele unbeteiligte Passanten, die alle durch die Handgranate unmittelbar gefährdet wären. Dies wäre nicht kontrollierbar. Andererseits können wir den Personenkreis, der durch eine mögliche Detonation der Handgranate bei einem Zugriff in der Wohnung betroffen ist, ganz klar begrenzen: nämlich auf den Täter, auf uns, die Zugriffskräfte, und leider auch auf den kleinen Jungen. Ich halte bei einem planmäßigen Verlauf des Zugriffs in der Wohnung die Wahrscheinlichkeit, dass die Zielperson die Handgranate noch einsetzen kann, für nicht sehr hoch. Jedoch ausgeschlossen ist es leider nicht.«
    Am Telefon entsteht eine hörbare Pause, und ich kann förmlich spüren, wie die Gedanken im Kopf von Schnitzler herumkreisen. Aber auch ich spüre die Last der Verantwortung in diesem Fall besonders deutlich. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass, wenn bei diesem Zugriff irgendetwas schiefgeht, wenn etwa der kleine Junge zu Schaden oder gar zu Tode kommen sollte – dass dann die Presse wieder über die Polizei herfallen würde. Wenn bei unseren Einsätzen etwas schiefgeht, dann machen wir uns ja nicht nur persönliche Vorwürfe, nein, dann treten alle möglichen Bedenkenträger in Erscheinung, die sich im Nachhinein das Maul zerreißen. Diese Bedenkenträger sind natürlich nicht vor Ort, wenn eine Lösung gefunden werden muss, und wenn sie es wären, könnte man

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