SEK – ein Insiderbericht
von ihnen mit Sicherheit keine verbindliche Entscheidung erwarten. Somit liegt es jetzt allein am Polizeiführer und mir als dem verantwortlichen Führer der SEK-Kräfte, eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, egal ob sie im Nachhinein verdammt werden wird oder eben nicht.
»Was schlagen Sie als Alternative vor?«, höre ich Schnitzlers immer noch ruhig klingende Stimme im Hörer des Telefons.
»Wir haben uns gerade die Hauseingangstür angesehen und sind übereinstimmend der Meinung, dass wir sie mit einem Brechwerkzeug geräuscharm aufhebeln können.«
»Sollten wir nicht versuchen, im Haus eine Person anzusprechen, die uns die Haustür von innen öffnet?«, fragt der Polizeiführer, der bereits voll unserem geplanten Ablauf zu folgen scheint. Die Frage ist durchaus berechtigt und zeugt von einem guten Einschätzungsvermögen.
»Daran haben wir auch gedacht, aber wir möchten jegliche Aktivität oder unvorhergesehene Bewegung im Treppenhaus vermeiden, da dies die Zielperson möglicherweise in letzter Sekunde doch noch aufmerksam macht und unseren Zugriff gefährdet. Und da wir nicht wissen, wie ein Bürger reagiert, der mitten in der Nacht von der Polizei einen seltsamen Anruf erhält, würde ich davon abraten. Ich halte das Öffnen der Tür mittels eines Brechwerkzeuges in diesem Fall für die beste Lösung.«
»Also gut«, sagt Schnitzler, »und wie geht’s weiter?«
»Wir werden nach dem Öffnen der Haustür langsam und leise bis an die Wohnungstür vorgehen. Die Tür hat von innen, laut Aussage der Wohnungsinhaberin, keine Verriegelung, und sie hat sie beim Verlassen der Wohnung auch nicht abgeschlossen. Es handelt sich dabei um eine einfache Holztür. Wir werden sie mittels eines Rammstoßes öffnen und schlagartig in die Wohnung eindringen …«
Und so erörtern wir meinen Zugriffsplan im Detail am Telefon, bis Schnitzler sich ein genaues Bild unseres Plans machen kann.
Als Letztes geht es um die Frage des möglichen Schusswaffengebrauchs. Zwar gelten dabei generell und auch bei unserer beabsichtigten Festnahme die entsprechenden Vorschriften des Polizeirechts – nur im Falle von Geiselnahmen treten besondere Regelungen in Kraft –, weshalb eigentlich keine besondere Absprache über dieses Thema mit Schnitzler notwendig wäre. Da ich aber weiß, dass nicht jeder Polizeiführer in dieser Problematik ganz sattelfest ist und der eine oder andere jeden SEK-Einsatz für einen Ausnahmefall hält, habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, jeweils im Klartext über dessen mögliche Folgen zu informieren.
Genau das mache ich auch jetzt.
»Sollte uns die Zielperson mit einer Waffe in der Hand entgegenkommen, werden wir schießen«, sage ich dem Polizeiführer durch das Telefon. »Falls die Zielperson die Handgranate einsetzen will oder tatsächlich einsetzt, werden wir den Täter final bekämpfen, da wir nicht wissen, ob er nicht über mehr als eine Handgranate verfügt, und das Risiko für alle Beteiligten dann nicht mehr zu kalkulieren wäre.«
Ich höre, wie der Polizeiführer tief durchatmet. Schließlich sagt er: »Herr Schulz, ich möchte noch einmal kurz über das eben Besprochene nachdenken. Sind Sie einverstanden, wenn ich Sie in fünf Minuten zurückrufe und Ihnen meine Entscheidung mitteile?«
Da ich weiß, dass diese Entscheidung für ihn von einiger Konsequenz sein kann und aktuell auch überhaupt kein Handlungsdruck besteht, sofort in Aktion zu treten, antworte ich: »Selbstverständlich, Herr Schnitzler. Ich bin mir der Tragweite meines Vorschlags übrigens durchaus bewusst, sehe aber keine vernünftige Alternative hierzu.«
»Alles klar, Herr Schulz, ich melde mich in ein paar Minuten.« Dann legt er den Hörer auf und beendet unser Gespräch.
Max, der neben mir im Raum gestanden und schweigend dem Telefongespräch zugehört hat, schaut mich fragend an.
»Er ruft in fünf Minuten wieder an, ist ’ne schwierige Entscheidung, und er braucht ein paar Minuten, um darüber nachzudenken«, beantworte ich seine unausgesprochene Frage. Und selbst Max, der in vergleichbaren Situationen kein gutes Haar an entscheidungsschwachen Vorgesetzten lässt, nickt nur kurz und wortlos. Ich informiere über Funk meine Kollegen, die einsatzbereit an den Fahrzeugen warten, über den Verlauf des Gesprächs und bereite sie schon einmal darauf vor, dass wir nach meiner Einschätzung in Kürze die Wohnung stürmen werden.
Tatsächlich klingelt nach etwa fünf Minuten das Telefon wieder, und Schnitzler ist
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