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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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wichtig für die Verarbeitung eines solchen Sachverhalts.
    Mitten in diesem Gespräch erreicht mich der Anruf unseres Polizeiführers, dass der Täter im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen ist. Das überrascht niemanden, auch nicht die beiden Schützen, wir alle haben damit gerechnet.
    In den nächsten Tagen machen wir unsere Zeugenaussagen, die zuständige Staatsanwaltschaft hat keine weiteren Rückfragen – und so wird das Ermittlungsverfahren gegen die beiden Kollegen bereits binnen einer Woche eingestellt.
    Für die beiden Schützen zählt jetzt vor allem, dass sie im Kollegenkreis in keiner Weise anders behandelt werden als zuvor. Normalität ist ein äußerst wichtiger Faktor, um psychische Schäden, die durch eine solche Extremsituation entstehen können, erst gar nicht aufkommen zu lassen. In diesem Zusammenhang sind zum Beispiel die gut gemeinten Ratschläge von manchen Vorgesetzten in vergleichbaren Fällen, zur »Erholung« ein paar Tage »frei zu nehmen«, durchaus nicht immer sinnvoll.
    Im Falle unserer Einheit kann ich jedenfalls sagen, dass durch anspruchsvolles Training und angemessene Vorbereitung auf der einen Seite sowie durch eine menschlich und gruppendynamisch kluge Aufarbeitung derartiger Sachverhalte bis zum heutigen Tage kein Kollege wegen posttraumatischer Belastungsstörungen behandelt werden musste.
    Ich wünsche mir, dass dies in Zukunft Bestand haben wird!
    * * *
    Das Motiv des Täters indes blieb im Unklaren. Es kann nur vermutet werden, dass sein durch Kriegserlebnisse geprägtes Vorleben dazu geführt hat, so extrem zu reagieren, wie er es getan hat. Doch wie so häufig bei Tätern die vollkommen irrationale Taten begehen, werden wir die Gründe wohl nie erfahren und ganz ehrlich … sie sind uns auch egal!

FASSUNGSLOS
»Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.«
René Descartes
                                                                       Es ist 7:15 Uhr, kurz nach Dienstbeginn. Heute muss meine Gruppe die im Tagesdienst anfallenden Einsätze für das SEK übernehmen. Wir haben uns gerade zum gemeinsamen Frühstück an unserem großen Tisch im Gruppenraum niedergelassen, und jeder schlürft, noch etwas verschlafen, den ersten Becher Kaffee. Selbst die unvermeidlichen Witze und Frotzeleien, die eigentlich ständig dazugehören, kommen noch nicht so recht in Gang. Es ist einfach noch zu früh am Morgen. Ich blicke lustlos auf mein Brot, das ich mir ohne rechten Appetit einverleibe, als die Lautsprecheranlage, die überall in unserer Dienststelle installiert ist, knackt. Zu hören ist die Stimme von Hagen, dem Einsatzsachbearbeiter, der mit seiner Körpergröße von über zwei Metern jedem Basketballspieler Konkurrenz machen könnte: »Wir haben eine Geiselnahme in L. Vermutlich hat ein Familienvater mehrere Familienangehörige erschossen und seine kleine sechsjährige Tochter als Geisel genommen. Einsatzführer SEK bitte sofort nach oben.«
    Mir fällt fast die Kaffeetasse aus der Hand, denn eine solch heftige Einsatzlage zu dieser frühen Uhrzeit ist auch nach meiner nunmehr sehr langen Dienstzeit beim SEK alles andere als eine Routineangelegenheit.
    Ich springe von meinem Platz auf und wende mich an Lothar, meinen Stellvertreter. Lothar und ich führen unser Kommando schon länger gemeinsam, als viele Ehen in Deutschland Bestand haben, wie meine Kollegen häufig scherzhaft bemerken. Lothar ist ein Stellvertreter, wie man ihn sich nicht besser wünschen könnte: loyal, selbstständig, entscheidungsfähig, wenn die Situation es erfordert, und vor allem ein äußerst angenehmer Zeitgenosse mit einem großartigen Humor. Darüber hinaus habe ich bisher keinen Menschen kennengelernt, der, wenn es die Umstände gestatten, derartige Mengen an Weizenbier vernichten kann. Lothar und ich sind ein eingespieltes Team, bei dem nicht viele Worte notwendig sind. Jetzt rufe ich ihm zu: »Sammle alle Kollegen ein, die hier auf der Dienststelle sind, und macht euch abmarschbereit. Ich geh hoch und höre, welche Infos wir haben. Wir treffen uns unten an den Autos.«
    Das »Ok« von Lothar höre ich schon gar nicht mehr, sondern ich greife nach meiner Einsatzmappe und renne die Treppen hoch, zum Büro von Hagen. Der hat gerade telefoniert und legt in dem Moment, in dem ich eintrete, den Hörer auf. Schulterzuckend sagt er mir: »Viel mehr Informationen habe ich noch nicht. Der Täter hat wohl

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