SEK – ein Insiderbericht
Seite. Durch den sogenannten Dienstweg, der bei innerbetrieblichen Abläufen zwingend einzuhalten ist, wird gewährleistet, dass es nahezu unmöglich ist, von einer unteren Hierarchieebene aus Kontakt mit einer höheren Ebene oder gar dem Ministerium aufzunehmen, ohne dass der vielleicht das Problem darstellende Vorgesetzte davon Kenntnis erhält und seine hierarchischen Möglichkeiten nutzen kann, um den Kritiker mundtot zu machen. So ist es in vielen Fällen sogar wahrscheinlich, dass das zuständige Ministerium die wahren Umstände eines Problems gar nicht kennt, weil durch den Dienstweg dessen Beschreibung bis zur Unkenntlichkeit gefiltert wurde.
Allerdings gibt es auch den umgekehrten Fall. Meine Einheit hatte Anfang der 2000er Jahre versucht, über gravierende Probleme der Spezialeinheiten ein Gespräch mit dem damals zuständigen Innenminister zu erreichen. Dieses wurde durch das Ministerbüro mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Minister regelmäßig durch die (höheren!) Führungsbeamten der Spezialeinheiten (bis auf einen keine ausgebildeten SEK-Beamten!) über alle anfallenden Probleme informiert würde und er schließlich nicht mit jeder einzelnen Teileinheit sprechen könne.
In dieser Antwort offenbart sich zweierlei: zum einen die teilweise unglaubliche »Arroganz der Macht«, die in diesem Fall den zuständigen Minister, aber auch sehr häufig die Beamten seines Ministeriums kennzeichnet, und zum anderen eine völlige Fehleinschätzung der Bedeutung von Spezialeinheiten.
Und worin liegt diese Fehleinschätzung begründet? Das sind wiederum zwei Aspekte. Der eine ist einem glücklichen Umstand geschuldet: Deutschland ist erstaunlicherweise in den vergangenen zehn Jahren von wirklich spektakulären Kriminalfällen verschont geblieben, die medienwirksame Einsätze von Spezialeinheiten erforderlich gemacht hätten. Schwerer wiegt allerdings, dass der »Apparat Polizei« mit dem Begriff »Elite« innerhalb der eigenen Reihen augenscheinlich erhebliche Probleme hat.
Tatsache ist, dass es sich bei den SEK-Angehörigen um ausgesuchtes Personal handelt, welches eine strenge Aufnahmeprüfung bestehen, eine überaus harte und selektive Ausbildung durchlaufen und eine Tätigkeit ausüben muss, die mit großen Risiken für Leib, Leben und Gesundheit sowohl in der Fortbildung als auch im Einsatz verbunden ist. Ja, insofern trifft der Begriff »Elite« (die Besten) auf die Angehörigen von Spezialeinheiten eindeutig zu. Wer dieses Buch bis hierhin gelesen hat, der wird mir gewiss vorbehaltlos zustimmen. Aber für den »Apparat Polizei« und für die Politik stellt dieser Begriff bis heute ein Problem dar. Mit einiger Vehemenz ist daher in der Vergangenheit versucht worden, die Spezialeinheiten zu einem ganz »normalen« Teilbereich der Polizei und deren Angehörige zu »ganz normalen Polizisten« zu erklären.
Das ist natürlich blanker Unsinn.
Spezialeinsatzkommandos beispielsweise kommen immer erst dann zum Einsatz, wenn die Mittel des »normalen« Polizeialltages nicht mehr ausreichen oder nicht für ausreichend gehalten werden. SEK-Beamte riskieren – die Beispiele in diesem Buch legen dafür, denke ich, beredtes Zeugnis ab – für die Rettung von Menschenleben oft genug ihre Gesundheit oder ihr Leben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staatsdienern müssen SEK-Beamte darüber hinaus ihre Fähigkeiten jedes Jahr in einem neuerlichen Leistungstest unter Beweis stellen, dessen Nichtbestehen die Entfernung aus der Einheit zur Folge hat. All diese Dinge zeigen deutlich, dass es sich bei den SEK-Angehörigen eben nicht um »normale« Polizeibeamte handelt.
Dass der Dienstherr und die Spitze des Polizeiapparats von einer »Elite« nichts wissen wollen, hat aber natürlich einen ganz handfesten Sinn. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung kommen SEK-Beamte durch ihre Tätigkeit mitnichten in den Genuss finanzieller und beförderungstechnischer Vorteile. Die Aufwandsentschädigung für besondere Polizeieinsätze (SEK-Zulage) in Höhe von 150 € monatlich wurde beispielsweise in Nordrhein-Westfalen seit 1994 nicht mehr erhöht und muss überdies zum größten Teil für erheblich erhöhte Versicherungsbeiträge aufgewendet werden. Bei Beurteilungen und Beförderungen müssen sich SEK-Beamte mit jedem anderen dienstgradgleichen Beamten der jeweiligen Behörde vergleichen, egal in welcher Funktion und Dienststelle dieser seinen Dienst verrichtet. Einen materiellen Vorteil durch seine Zugehörigkeit zu einer
Weitere Kostenlose Bücher