SEK – ein Insiderbericht
Spezialeinheit hat also ein SEKler überhaupt nicht. Diese Gleichbehandlung wäre natürlich nicht länger durchzuhalten, wenn man den Beamten der Spezialeinheiten die Sonderstellung zugestehen würde, die ihnen eigentlich zukommt.
Was macht aber nun einen SEK-Vorgesetzten aus, welche Eigenschaften muss er haben – und vor allem: Wie ist er von seiner Stellung her im Gesamtgefüge des »Apparats Polizei« angesiedelt?
Es ist sicherlich auch für einen Außenstehenden nicht allzu schwer verständlich, dass die Vorgesetzteneigenschaft in einer Spezialeinheit, und zwar egal, ob polizeilich oder militärisch, eine andere Ausrichtung und Bedeutung hat als bei anderen Institutionen und Dienststellen der Polizei oder des Militärs. Durch die enge Bindung, die durch das gemeinsame Bestehen zum Teil lebensgefährlicher Situationen hervorgerufen wird, entsteht ein Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, wie es wahrscheinlich nirgendwo sonst gleichermaßen vorhanden ist.
Jeder Vorgesetzte innerhalb eines SEKs durchläuft die gleiche harte Ausbildung wie seine nachgeordneten Kollegen und ist zunächst einmal Teil des Teams und erst dann Vorgesetzter. Ein SEK-Einsatz wird nämlich nicht aus der Befehlsstelle, sondern vor Ort »von vorn« geführt. Die Fachautorität als SEK-Führer muss man sich über eine lange Zeit und durch die erfolgreiche Bewältigung zum Teil sehr schwieriger Einsatzlagen erarbeiten. Allerdings wird einem dann auch von den Kollegen ein Grad an Vertrauen entgegengebracht, das es anderswo kaum gibt.
Anlässlich einer Feier hat mir ein Kollege zu fortgeschrittener Stunde einmal gesagt, dass »man« mir im Einsatz ohne zu zögern überallhin folgen würde. Ich habe die Bedeutung dessen zuerst gar nicht so genau begriffen, aber als ich später darüber nachdachte, hat mich diese Aussage ungeheuer stolz gemacht – und ich bin es bis heute.
Das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern in einem SEK ist vordergründig zunächst einmal durch den lockeren Umgangston miteinander geprägt, der in anderen Organisationen so nicht denkbar wäre. Das Interessante an dieser Tatsache ist aber, dass dies der Autorität des Vorgesetzten in aller Regel überhaupt keinen Abbruch tut. Während meiner gesamten Dienstzeit beim SEK kann ich mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo ich, bei durchaus vorkommenden Meinungsverschiedenheiten, daran erinnern musste, wer aufgrund der verliehenen Amtsautorität der Vorgesetzte ist. Die natürliche Fachautorität, die man sich als SEK-Führer erarbeitet hat, macht solche Hinweise unnötig. Besonders deutlich wird diese Autorität jedoch insbesondere bei schwierigen oder besonders gefährlichen Einsatzlagen. Hier lässt sich dann beobachten, wie die sonst eher gesprächigen und locker aufgelegten SEK-Beamten Anordnungen ihres Vorgesetzten ohne Kommentare und Diskussionen sofort befolgen und sich eng um ihn scharen, wenn das Vertrauensverhältnis intakt ist. Aufgrund ihres engen persönlichen Verhältnisses zu ihren »Untergebenen« wird den SEK-Führungskräften häufig vorgeworfen, dass sie sich illoyal gegenüber dem »Apparat Polizei« verhalten würden, wenn sie für ihre Mitarbeiter mehr als gemeinhin üblich eintreten.
Andererseits misst ein SEK-Beamter aufgrund der Besonderheit und Gefährlichkeit seiner Arbeit der Amtsautorität des jeweiligen Vorgesetzten nur geringe Bedeutung bei. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich die Angehörigen – und dabei erst recht das Leitungspersonal – der regulären Polizeikräfte im Kreise einer Gruppe von SEK-Beamten häufig nicht wohl oder auch nicht entsprechend respektiert fühlen. Vielfach wird dann dieses Gefühl auf die Arroganz einer Elite zurückgeführt, mit der man es eben nicht allzu gern zu tun hat: ein ewiger Quell des Unverständnisses und des Misstrauens!
Das hat gravierende Folgen, der innere Zusammenhalt zeitigt eine gewisse äußere Isolation. Das Verhältnis zwischen der höheren Polizeiführung und der Politik auf der einen Seite sowie den Spezialeinheiten auf der anderen Seite ist mittlerweile so schlecht, dass die SEK-Organisationsstruktur mehrfach geändert wurde, um die Einflussmöglichkeiten der Einheitsführer tunlichst auf ein Minimum zu beschränken und die im Sinne der höheren Führung notwendige »Kontrolle« zu gewährleisten.
Die SEK-Führungskräfte werden, ganz im Sinne des Apparats, allein schon dadurch in ihren Einflussmöglichkeiten beschnitten, dass sie in der
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