SEK – ein Insiderbericht
Führungsarbeit in einem zum Teil äußerst schwierigen Berufsumfeld.
Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildet und bildete schon immer die Auswahl des höheren Führungspersonals der GSG 9 der Bundespolizei. Dort werden alle höheren Führungsbeamten frühzeitig aus der mittleren Führungsebene der Einheits- oder SET-Führer ausgewählt. Alle diese Beamten verfügen über die aus meiner Sicht für Führungskräfte einer solchen Einheit unerlässliche Spezialausbildung. Die Auserkorenen durchlaufen sodann ihre Ausbildung für den höheren Polizeivollzugsdienst mit dem Wissen und der klaren Vorgabe, nach deren Abschluss in eine höhere Führungsfunktion bei der GSG 9 zurückzukehren. Bei der Bundespolizei entscheidet man sich ganz bewusst und segensreich gegen die durch nahezu alle Bundesländer geisternde Parole, dass das höhere Führungspersonal eine gewisse »Verwendungsbreite« vorweisen muss. Für einen so speziellen Bereich wie den einer Spezialeinheit ist die Beherzigung dieses Begriffs jedoch der größte Unsinn, den man sich vorstellen kann.
Das für die hochkomplexe Führung von SEK-Kräften notwendige Wissen kann man nur durch jahrelange Erfahrung erwerben, und meist kann diese Führung auch nur bis zu einem gewissen Alter wahrgenommen werden. Jede Verwendung eines SEK-Führers in einem anderen Bereich (Stichwort »Verwendungsbreite«) ist eine beispiellose Verschwendung von Fähigkeiten, erworbenem Fachwissen und zeitlich begrenzten Ressourcen. Man stelle sich vor, ein anerkannter Chirurg müsste, um Chefarzt zu werden, zunächst einmal für ein paar Jahre als Verwaltungsdirektor eines Krankenhauses arbeiten. So in etwa kann man sich das Thema Verwendungsbreite im Zusammenhang mit höherem Führungspersonal der Spezialeinheiten vorstellen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang explizit hervorheben, dass auch und vor allem die Kollegen des Wach- und Wechseldienstes, also die Streifenbeamten, einen überaus schweren, risikoreichen und verantwortungsvollen Dienst verrichten, der viel zu wenig gewürdigt wird, sowohl finanziell als auch von der Reputation her. Führungskräfte, die jahrelang im Wach- und Wechseldienst als Dienstgruppenleiter oder Wachdienstführer tätig sind, sind mit den unterschiedlichsten Einsatzlagen aller Art konfrontiert und zählen zu den erfahrensten Vertretern der gesamten Polizei. Leider erlaubt sich der Apparat den Luxus, dass die Erfahrungswerte dieser Angehörigen der mittleren Führungsebene kaum in höhere Führungsfunktionen eingebracht werden können, da sie den entsprechenden Ausbildungsgang nicht absolviert haben und daher für höhere Posten nicht in Frage kommen. Im »Apparat Polizei« hat es sich offensichtlich nicht herumgesprochen, dass die Erfahrungswerte solcher Mitarbeiter nicht hoch genug einzuschätzen sind – es sei denn, man geht von der Annahme aus, dass die höheren Führungsbeamten möglichst gar nicht über eine derart umfassende Erfahrung verfügen sollen, weil dann ihre »Führbarkeit«, d.h. ihre Beeinflussbarkeit im Sinne des Apparats möglicherweise nicht so gegeben ist wie bei jüngeren, karriereorientierten Beamten.
Die Folgen liegen auf der Hand. Junge Vertreter des höheren Dienstes werden nach bestandenem Lehrgang Vorgesetzte von erfahrenen Einsatzbeamten der mittleren Führungsebene. Hierdurch entwickelt sich auf beiden Seiten ein hohes Konfliktpotenzial. Der erfahrene Beamte will sich nicht von einem jüngeren, unerfahrenen Vorgesetzten »hineinreden« lassen, obwohl die Ideen des Nichtfachmanns durchaus bedenkenswert sein können. Der jüngere Vorgesetzte wiederum muss natürlich beweisen, dass das Vertrauen des Dienstherrn, der ihn zu dieser höheren Ausbildung zugelassen hat, auch gerechtfertigt ist, indem er »Führungsstärke« beweist und sich oft genug über die Ratschläge seiner nachgeordneten Führungskräfte hinwegsetzt.
Erschwerend kommt hinzu, dass eine Auseinandersetzung zwischen einem höheren und einem rangniedrigeren Beamten selten zugunsten des Letzteren ausgeht, selbst dann, wenn dieser in der Sache recht hat. Das liegt am System selber und der stets genährten Sorge, es beeinträchtige vielleicht seine Effizienz, wenn sich »Untere« mit ihrer Kritik an »Oberen« durchsetzen könnten. Man darf sich da nichts vormachen: Bei der Polizei handelt es sich bewusst und gewollt um eine klare Zweiklassengesellschaft, nämlich die der Arbeits- und Ausführungsebene auf der einen und die der höheren Führungsebene auf der anderen
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