SEK – ein Insiderbericht
Ministeriums alle erdenkliche Rückendeckung erhalten würde. Schließlich tangiere dieser Sachverhalt doch die Einsatzfähigkeit der Polizei, was nach meiner Meinung keinesfalls eine falsche Sichtweise ist.
Aber dennoch wartet der Kollege auf diese Rückendeckung bis heute. Er entging einer Verurteilung nur durch Zahlung eines vierstelligen Geldbetrages, weil der Richter fand, dass auch bei Einsatzfahrten ein gewisses Maß an »Sicherheit« einzuhalten sei. Dass es sich bei dem Beamten um einen professionellen Fahrer handelt, der regelmäßig an Lehrgängen auf Hochgeschwindigkeitskursen (Rennstrecken) teilnahm und an anderen selbst als Fahrinstructor beteiligt war, blieb bei der Gerichtsentscheidung ebenfalls gänzlich unberücksichtigt. Die Auswirkungen dieser Gerichtsentscheidung für künftige Fahrten mit Blaulicht und Signalhorn kann sich jeder neutrale Betrachter selbst ausmalen, denn niemand aus meiner Einheit wird sich dieser persönlichen Haftbarmachung noch einmal aussetzen wollen, sei die polizeiliche Ausgangslage auch noch so bedrohlich und prekär.
Es bleibt zu erwähnen, dass der Kollege die Gerichtskosten und die Geldstrafe selbst aufzubringen hatte. Selbstverständlich haben wir innerhalb unserer Einheit für ihn gesammelt und so den Großteil aller Kosten gemeinsam beglichen. Der gesamte Vorgang jedoch macht uns noch immer sprach- und fassungslos. Auch eine Stellungnahme des verantwortlichen Ministeriums ist bis heute ausgeblieben …
WARUM DIE SEK-ARBEIT ERSCHWERT WIRD UND WAS GESCHEHEN MUSS
»Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.«
Voltaire
Mein Insiderbericht wäre nicht vollständig, wenn ich nicht noch die Probleme ansprechen würde, die die Arbeit von Spezialeinheiten hierzulande erheblich erschweren. Die folgenden Kritikpunkte treffen im Wesentlichen auf jedes Bundesland zu, auch wenn die Organisationsstruktur für Spezialeinheiten unterschiedlich ist.
Was ich vorzubringen habe, ist beileibe keine Einzelmeinung, auch wenn das vielleicht, als Reaktion auf diese Zeilen, so dargestellt werden wird. Ich gebe vielmehr eine bei den SEK-Angehörigen weitverbreitete Ansicht wieder – eine Ansicht, die gleichwohl die meisten Kollegen aus Angst vor massiven Karriereeinbußen oder einer Versetzung wider Willen tunlichst für sich behalten.
* * *
Das Misstrauen, das uns vor allem im täglichen Dienstbetrieb von höherer Seite entgegengebracht wird, findet seine Erklärung zu guten Teilen im Aufbau des »Apparats Polizei« einschließlich dessen höchstem politischem Vorgesetzten, dem jeweiligen Landesinnenminister.
Zwar handelt es sich bei diesem Apparat um eine zivile Behörde, sie funktioniert allerdings nach streng hierarchisch aufgebauten Strukturen. Der Vergleich mit militärischen Strukturen liegt nahe, auch wenn das die Verantwortlichen entrüstet zurückweisen würden. Tatsächlich jedoch sind die Parallelen, einschließlich der Befehls- und Gehorsamspflicht, deutlicher ausgeprägt als die Unterschiede.
Beginnen wir mit den höheren Polizeibeamten. Deren Vorgesetzteneigenschaft fußt nicht, wie man denken könnte, auf einem breit gefächerten Erfahrungshorizont, den ein Bediensteter erlangt haben muss, um überhaupt in eine derartige Führungsposition zu kommen. Höhere Polizeibeamte werden im Zuge eines mehrstufigen Auswahlverfahrens zumeist im Alter zwischen 30 und 35 Jahren rekrutiert und dann mittels eines inzwischen vierjährigen Ausbildungs- und Studiengangs zum Polizei- oder Kriminalrat ausgebildet. Auch die Möglichkeit, als sogenannter Seiteneinsteiger nach Absolvierung eines Hochschulstudiums in den höheren Polizeivollzugsdienst eingestellt zu werden, ist gegeben. Die Art der Vorverwendung innerhalb der Polizei – sprich: die Tatsache, ob der Beamte bereits eine Vorgesetztenfunktion innehatte oder nicht – spielt bei diesem Auswahlverfahren keine Rolle, wie auch der gesamte Ausbildungsgang zwar den strengen Anforderungen an ein Hochschulstudium entsprechen mag, dabei aber die Tatsache außer Acht lässt, dass »Polizei« in erster Linie ein praktischer Beruf ist. Hieran ändern auch die in dieser Ausbildungszeit mehr oder weniger zahlreich zu absolvierenden Praktika nichts. Auch ein sehr zielgerichtetes Praktikum ersetzt in keiner Weise die eigenverantwortliche
Weitere Kostenlose Bücher