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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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verhindern, dass diese Tanklastzüge möglicherweise als »rollende Bomben« gegen das deutsche Lager eingesetzt werden würden. Der Sturm der Entrüstung, der sich in Teilen der Presse breitmachte und schließlich den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung um sein Amt brachte, die unglaubliche Anzahl von tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Experten, die anschließend gefragt oder ungefragt ihre Meinung zu diesem Sachverhalt kundtaten – all das legt beredt Zeugnis ab für das, was ich meine.
    Natürlich ist es unumgänglich, Fehler oder Fehlverhalten bei Einsätzen zu untersuchen. Allerdings kann eine solche Fehleranalyse, wenn sie sinnvoll sein soll, nicht den vorrangigen Zweck haben, den »Schuldigen« zu ermitteln, und vor allen Dingen nicht, ihn öffentlich bloßzustellen. Einsatznachbereitungen haben eigentlich nur den Sinn, die Lehren aus dieser konkreten Situation für künftige Einsätze zu ziehen und möglicherweise die taktische Handlungskompetenz zu verbessern. Denn eine Sekundenentscheidung im Nachhinein und in aller Ruhe zu kritisieren, wenn dann vielleicht auch Informationen zur Verfügung stehen, die dem Schützen seines Rettungsschusses gar nicht zugänglich waren, ist eine sinnlose, unprofessionelle und mitunter ehrverletzende Art der Reaktion, der sich höhere Vorgesetzte und besonders die verantwortlichen Politiker gern befleißigen. Gerade unter Letzteren hat sich über Jahre eine Mentalität der Nichtverantwortlichkeit breitgemacht, in deren Schutz unter allen Umständen verhindert werden soll, sich eine Verantwortung für Misserfolge tatsächlich zurechnen zu lassen. Die peinliche Haltung, die der damalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland bei der Diskussion um die Verantwortlichkeiten nach der Love-Parade-Katastrophe im Juli 2010 zur Schau stellte, ist nur ein weiteres Beispiel dafür.
    Aus meiner persönlichen Sicht wäre es schön, wenn Verantwortlichkeit in der Politik wieder so ernst genommen würde, wie es die Umstände im Einzelfall erfordern, auch wenn dadurch die nächste Wiederwahl eventuell nicht garantiert ist.
    Wie wenig heutzutage die verantwortlichen Politiker bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Interessen eines ihnen unterstellten Beamten zu wahren, dem bei rechtmäßiger Dienstausübung etwas zugestoßen ist, will ich anhand eines kleinen Beispiels aus meinem persönlichen Einsatzbereich ein wenig aufhellen.
    Im Rahmen eines Großeinsatzes gegen eine äußerst gefährliche Gruppe von Bankräubern, die gerade dabei waren, ihren nächsten Überfall konkret vorzubereiten, und daher polizeilich überwacht wurden, war es notwendig, ein bestimmtes technisches Einsatzmittel aus einem anderen Bundesland zu besorgen, das uns gerade fehlte. Ein Kollege wurde mit einem zivilen Dienstfahrzeug entsandt, um das Bauteil schnellstmöglich auf dem Kurierweg zu holen. Während der Einsatzfahrt mit Blaulicht und Martinshorn fühlte sich eine Verkehrsteilnehmerin, die auf der Autobahn über längere Zeit die linke Spur blockierte, durch das dicht auffahrende Einsatzfahrzeug »gefährdet«. Diese »Gefährdung« quittierte sie im Nachhinein mit einer Strafanzeige. Nur um die Situation noch einmal klarzustellen: Es handelte sich um eine polizeiliche Einsatzfahrt von hoher Dringlichkeit, das Fahrzeug war zwar kein regelrechter Streifenwagen in seiner charakteristischen Lackierung, jedoch ausgerüstet mit eingeschaltetem Blaulicht und Signalhorn, welche den Verkehrsteilnehmer gemäß § 38 StVO dazu verpflichtet, sofort »freie Bahn« zu schaffen. Warum die Frau nicht in der Lage war, das Fahrzeug zu erkennen oder das Signalhorn zu hören, wird wohl immer ihr Geheimnis bleiben. Auf jeden Fall musste mein Kollege mehrfach relativ dicht auffahren, damit die Frau letztlich erkannte, dass dort ein Fahrzeug hinter ihr war, welches sie passieren lassen musste.
    Nun könnte der geneigte Leser meinen, alles klar, die Fahrerin hat zwar einfach nicht erkannt, dass es sich um ein Polizeifahrzeug handelte, und erstattet Anzeige, aber die wird natürlich eingestellt, weil es sich ja um ein Dienstfahrzeug im Einsatz handelte und – fertig.
    Doch wie Sie jetzt schon ahnen: weit gefehlt. Die Anzeige wurde angenommen, das Verfahren eröffnet, und der Kollege kam vor Gericht! In einem Telefonat meines Vorgesetzten mit dem zuständigen Innenministerium, bei dem ich zufällig Zeuge war, wurde zugesichert, dass der Kollege in dieser Sache selbstverständlich von Seiten des

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