Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Ausreden wiederholen höre. Und ich kann sie mir mühelos dabei vorstellen, wie sie Öl auf die Wogen gießt, bis diese sanft und nachgiebig wie Sirup werden. Ich wäre mit der Zeit nur noch ein Stachel in seinem Fleisch gewesen.
»Und benimmt sie sich anständig? Sieht er sie oft?«
»Ach ja, sie kommt zum Mittagessen. Er sorgt immer dafür, dass sie Tisch zwölf bekommt.«
Ich frage mich, ob das Unheil sich bei Milly gleichzeitig mit dem lästigen Ticken der biologischen Uhr ankündigen wird. Aber vielleicht sehe ich das alles auch zu negativ. Im Unterschied zu Lydia wird sie eine ganz fabelhafte Mama sein und kann womöglich Oscars Defizite auffangen. Schließlich kann nicht jeder einen Dad haben, der so fabelhaft ist wie meiner.
Marsha ist jetzt in die Rolle eines Oberbefehlshabers geschlüpft. »Angehörige der Braut, alle mal herhören«, schreit sie. »Ich fürchte, Amber, dass dein Geplauder warten muss.«
Milly verdreht die Augen. »Sie ist wütend auf mich.«
»O nein, das ist sie nicht«, beruhige ich sie.
»Es war nur, Oscar hat einen neuen Sommelier, und der hat den völlig falschen Wein für irgendeinen Typen vom Observer gebracht. Ich meine, sagen musste man es ihm, aber Oscar hat sich ein wenig mitreißen lassen. Er hat es noch nicht verschmerzt, den Stern nicht bekommen zu haben, und das ist noch immer ein rotes Tuch für ihn.«
Mal ganz ehrlich, für ihn ist ganz schnell mal was ein rotes Tuch. Bei Oscar kann selbst eine weiße Fahne zu einem roten Fetzen werden.
»Es hat mir wirklich leidgetan für euch«, sage ich. Und das ist nicht einfach so dahingesagt, denn ich habe an dem Tag gegoogelt und war sehr enttäuscht. Es ist ja nicht so, dass mir alles gleichgültig geworden ist, nur weil ich gegangen bin und aufgehört habe, Teil der Größe sein zu wollen, vielmehr musste ich akzeptieren lernen, dass ich nicht alles haben kann. Und ein Blick auf Dom genügt, um die Wehmut, dem Hauen und Stechen den Rücken gekehrt zu haben, zu lindern. Mein Blick wandert weiter zu Oscar, der noch immer resolut in die Ferne starrt, und ich frage mich, was er wohl denken mag.
Was er beim Mittagessen denkt, weiß ich: Das Hühnchen ist so zäh wie der Kauknochen einer Promenadenmischung, der Wein so schlecht, dass er nur in klitzekleinen Schlückchen genießbar ist.
»Es gibt hier doch eine Bar, oder?«, flüstert Dom. »Sollen wir uns nicht lieber auf eigene Kosten gleich einen Gin Tonic holen?«
Ich nicke heftig, aber als er aufstehen möchte, klopft Marshas Dad an sein Glas. Dom lässt sich geschlagen in den Stuhl zurücksinken, und ich lehne mich an ihn. Wenn der Brautvater seine Rede hält, muss ich immer heulen, selbst bei dieser – er rattert sämtliche Leistungen Marshas von der Geburt bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag herunter.
»Ich wusste gar nicht, dass sie Hockey auf Kreisebene gespielt hat«, flüstert Dom.
»Hat sie. Und wir sind noch gar nicht bei ihrem Archäologiestipendium angelangt.«
»Mir ist vor lauter Aufregung schon ganz übel.«
Der erste Tanz ist ein Schieber zu Just the Way You Are . Von meinem Platz aus sieht es so aus, als würde Marsha führen, aber das könnte auch daran liegen, dass sie über Peter aufragt wie ein Wolkenkratzer aus Taft. Ich zwinge mich, meine Spottlust zu bändigen – sie ist unangemessen, selbst wenn sie ganz zahm daherkommt –, und konzentriere mich stattdessen auf die Blicke, die sie tauschen. Sie zu beobachten ist süß, und daran teilzunehmen, ist etwas ganz Besonderes. Die Worte des Songs könnten besser nicht auf sie zutreffen, und ich hoffe, dass sie schließlich auch für mich wahr werden. Ich könnte zwei DIN -A4-Blätter mit meinen und Doms Schwächen und Defiziten füllen, hoffe aber, dass wir die Freundlichkeit besitzen, sie einander zu verzeihen, unseren Gefühlen Luft machen und dabei wissen, dass nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Zieh dich warm an, Dalai Lama, es ist ein neuer spiritueller Guru in der Stadt. Orange ist genau meine Farbe.
Dom und ich wagen ein Tänzchen zu Celebration von Kool & the Gang (werden DJ s, die auf Hochzeiten spielen, ihre Superhits der Siebziger auch dann noch verbissen auflegen, wenn die Eiskappen geschmolzen sind und wir alle auf einem Alternativplaneten leben?), aber bald schon drücken die Gin Tonics, die ich getrunken habe, auf meine Blase, und ich entschuldige mich für eine Toilettenpause. Ich bleibe dort eine Minute länger als nötig, weil der Jetlag jetzt zuschlägt, und
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