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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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will ich nicht sagen, dass er mich nicht liebt, aber ich liebe auch unseren Vetter Terry, und der ist pickelig und auf einem Ohr taub.«
    Ich starre sie an mit meinem verheulten Gesicht und fange dann zu lachen an. Das Lachen tut so gut. Bald darauf lachen wir alle, obwohl es so lustig nun auch wieder nicht ist. Als die Hysterie sich legt, ziehe ich die Notbremse.
    »Ganz ehrlich, ich kann nicht mehr darüber reden. Können wir irgendwas Sinnloses machen?«
    »Boggle?«, schlägt Dad vor und schüttelt fröhlich die Schachtel, als wären es Maracas.
    »Boggle!«, willige ich dankbar ein. Und weil Ralph nicht da ist, gewinne ich sogar.
    Die nächsten paar Tage sind genau das, was ich brauche. Ich bin traurig, das steht außer Frage, doch ich bin auch glücklich. Es scheint möglich zu sein, beides gleichzeitig zu sein, und glücklich und traurig hebt sich nicht auf und wird grau. Anstatt wegen meiner verlorenen Liebe zu leiden, versuche ich mich an der Liebe zu erfreuen, die ich neu entdeckt habe. Das ist ein bisschen übertrieben formuliert, denn es ist ja nicht so, dass ich meine Eltern nicht mehr geliebt habe, aber ich habe sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr als lebende, atmende Wesen erfahren. Alles war viel zu hypothetisch – ein gelegentlicher Anruf, ein hastig dazugesetztes x ans Ende einer E-Mail. Dad und ich stellten uns gegenseitig vor kulinarische Herausforderungen, und Mum … ich verbrachte genug Zeit mit ihr, dass sie mir wieder auf die Nerven ging, was auch eine Art Erleichterung war. Ich begann mir nämlich bereits Sorgen zu machen, dass allein meine Projektion sie zu einem giftigen Wesen gemacht hat, obwohl sie eigentlich Julie Andrews war, die mit einem Liedchen über Rehe auf den Lippen einen Berg hinaufsprang. Sie erteilt mir ein paar Lektionen über langfristige finanzielle Sicherheit und versucht, meine Jeans an Oxfam zu geben – typisch Mum eben.
    Der Abschied fällt mir wirklich schwer. Sie fahren mich beide nach Stockport, wo wieder Tränen fließen. Dad kauft mir ein Kit Kat, als wäre ich neun Jahre alt und mein Taschengeld schon aufgebraucht. Er steckt es in meine Handtasche und umarmt mich.
    »Ruf ihn einfach an«, sagt er. »Dann hast du wenigstens Gewissheit.«
    »Aber …«
    »Ich meine das ernst, Amber«, wirft Mum ein, »du bist in so vielen Dingen furchtlos. Nimm mal deinen Mut zusammen.«
    Als ich im Zug sitze, muss ich über ihre Äußerung nachdenken. Sie hat recht und auch wieder nicht. Was manche Dinge angeht, bin ich furchtlos, das muss man auch sein, wenn man in einer Küche überleben möchte, aber sobald mein Herz betroffen ist, war ich wohl schon immer ein Feigling. Ich habe mich nie so exponiert, wie ich das hätte tun sollen, habe nie zu viel hören wollen, für den Fall, dass es mehr war, als ich verkraften könnte. Vielleicht muss ich das wirklich tun, und sei es nur für mich – nur um zu wissen, dass es mich nicht umbringen wird, wenn ich mich wahrhaft verletzlich zeige.
    Als ich nach Hause komme, taste ich mich auf der Suche nach den Papieren durch die Wohnung, aber noch immer ist nichts gekommen. So groß meine Angst vor ihnen auch ist, wäre es mir doch lieber zu wissen, ob die Würfel schon gefallen sind. Bin ich noch immer eine Ehefrau, wenigstens dem Namen nach?
    Am ganzen Körper zitternd greife ich zum Telefon. Dom meldet sich beim zweiten Klingeln, im Hintergrund läuft Radio 4. Wenigstens ist er nicht in der Arbeit. Mein Plan, aus meiner Deckung zu kommen, läuft nicht gut an.
    »Sind wir geschieden?«, belfere ich. »Ich muss das einfach wissen.«
    »Amber …«
    »Weil ich jeden Tag damit rechne, dass die Papiere in meinen Briefkasten geworfen werden, was aber nicht geschieht.«
    »Was soll das? Ist das eine besonders nette Art, mir zu sagen, dass du wieder heiraten möchtest?«
    »Würde es dir was ausmachen, wenn es so wäre?«
    »Natürlich würde es mir was ausmachen.«
    In der darauffolgenden langen Pause versuche ich den Nachklang zu ergründen, um das Timbre seiner Stimme auszuloten. Ich möchte so viel sagen, doch ich kann nicht. Vielleicht ist ja auch im Schweigen Wahrheit.
    »Und nein, wir sind nicht geschieden. Ich habe die Papiere erst gestern zurückgeschickt.«
    »Gestern!?«
    »Tut mir leid«, sagt er, »du hast es offensichtlich eilig. Ich – mir ist es schwergefallen.«
    Alle Anspannung weicht von mir, es ist ein Befreiungsschlag. Nicht nur ich bin verrückt und dumm und stecke fest, er ist genauso wie ich im Sumpf gefangen.

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