Sekunde der Wahrheit
Mariner, True Blue, Dealer's Choice und Eric the Red. Doch werden sich die Übriggebliebenen ein spannendes Rennen liefern. Wie Sie wissen, dürfen die Besitzer ihre Pferde nun nicht mehr nach Lust und Laune zurückziehen. Nur noch die Rennleitung kann auf Empfehlung des Tierarztes ein Pferd streichen. Hier haben Sie also das Feld, und setzen Sie ja nicht auf das falsche Pferd!
Die gelegentlichen Regenschauer haben für ein mittelschweres Geläuf gesorgt, doch klart es gemäß den Vorhersagen auf, so daß man für das morgige, nur für Stuten ausgeschriebene Kentucky Oaks mit einem trockeneren Boden und für das Derby mit einem harten, schnellen Geläuf rechnen kann. Aber das Wetter ist ja genauso ungewiss wie der Ausgang des Derbys.
Und noch ein paar Neuigkeiten von der Rennbahn:
Die Quoten für Hotspur und Fireaway stehen nach dem sensationellen Sieg des kleinen Rappen beim Trail nun gleich, und zwar bei sieben zu eins. Nichts feuert so an wie ein bißchen brüderliche Rivalität.
Übrigens hat sich das Objekt mit Erinnerungswert wieder eingefunden, und der glückliche Besitzer hat die Belohnung gezahlt. Es hat sich um eine Perlenkette gedreht, die während des Brandes abhanden gekommen war.
Und noch ein paar Fragen an mein hochverehrtes Publikum:
Welcher Derbystarter findet sich heute morgen ohne Trainer? Na, raten Sie mal. Und welches Pferd trauert seinem Frauchen nach, so daß es nichts fressen mag? Warum ist es betrübt und wer ist die Dame?
Und stimmt es, daß ein Mann einen Hund gebissen hat? Jedenfalls hat der Hund den kürzeren gezogen. Lesen Sie mehr darüber in der heutigen Zeitung.
Das war's mal wieder, bis morgen, selbe Stelle – selbe Welle, Ihr Graf Wyatt sagt tschüs.«
»Tut mir leid, in Miß Camerons Zimmer meldet sich niemand.«
Clay trat aus der Telefonzelle und fuhr in seinem Lieferwagen weiter zum Krankenhaus. Schlief sie noch immer so fest, wie er sie verlassen hatte? Möglicherweise. Oder hatte ihr nur die ihr zugedachte Rolle beim Verlosen der Startpositionen nicht behagt? Nach ihrem Benehmen am vergangenen Abend konnte ihn kaum noch etwas überraschen.
Die mittäglichen Straßen waren belebt, aber nicht überfüllt, und die Sonne schickte sich an, mit voller Stärke herniederzubrennen. Wyatts Voraussage klang in seinen Ohren auch nicht viel versprechend. Warum konnte Hotspur nicht zu den Pferden gehören, die auf einem harten Geläuf in ihrem Element waren? Schließlich war er in Florida gezogen, oder? Hotspur, du bist genau so widersprüchlich und pervers wie Kimberley, dachte er. Aber er liebte sie trotzdem beide! Er war schon ein unverbesserlicher Narr!
»Vierzig-sieben« hatte Zach triumphierend den offiziellen Zeitnehmern zugerufen, als er im Kanter vorbeikam und sich zu Clay gesellte, der auf dem Pony wartete. Achthundert Meter in genau 47 Sekunden. Zach hatte wirklich eine Stoppuhr im Kopf. Aber noch war die Bahn weich – was würde passieren, wenn die Sonne sie weiter abtrocknete?
Als er Hotspur zum Derbystall führte, brummelte Elijah: »Sag dem Bernie einen schönen Gruß, und er soll zu simulieren aufhören! Ihm gefällt es nur in dem Krankenhaus, weil er da mit dem irischen Mädchen Händchen halten kann. Und sag ihm, daß Elijah ganz gut ohne ihn auskommt.«
Was Clay ihm allerdings nicht zu sagen gedachte, war, daß er vergangene Nacht den Pegel von Bernies Pulle mit dem Selbstgebrannten in dessen Wohnwagen leicht zum Absinken gebracht hatte. Er war von der Theorie ausgegangen, daß er nicht sicher sein konnte, seine unheilvolle Veranlagung überwunden zu haben, ehe er es nicht ausprobierte. Sie war ihm einmal fast zum Verhängnis geworden, vor langer Zeit. Doch nun nicht mehr.
Vergangene Nacht hatte Clay nach den unliebsamen Szenen mit Kimberley beschlossen, lieber auf dem Stallungsgelände zu bleiben als in sein Motel zurückzukehren. Und er wollte sich einen hinter die Binde gießen, und zum Teufel mit allem. Auf keinen Fall wollte er nachdenken, sondern nur schlafen. Doch der Alkohol intensivierte nur noch die Schmerzen in seiner Schulter und der Kratzer im Gesicht – das Mädchen war eine halbe Wildkatze! – und so hatte er die Schnapsflasche wieder verschlossen und weggestellt.
Er war nicht betrunken, aber der Raum drehte sich ein wenig, und das Gefühl des Drucks hatte sich etwas gelegt. Und er hatte die beruhigende Gewissheit, daß er wie andere Leute Alkohol in Maßen genießen und ebenso lassen konnte. Es befriedigte ihn irgendwie.
Dann hatte
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