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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Thrall?«
    Keine Antwort.
    »Läuft er lieber auf Sand oder Gras?«
    Noch immer keine Reaktion.
    Sie saß wie in einen weißen Kokon eingewickelt da, mit offenen, aber ausdruckslosen Augen, vom Rest der Welt abgeschirmt.
    Er kannte sie fast nicht wieder …
    »Also hör mal zu, Mädchen«, begann er erneut, als er neben dem Rollstuhl auf einer Betonbank Platz genommen hatte, »früher hast du doch Mumm gehabt. Hör mal Onkel Bernie zu. Deine Tante ist ganz krank vor Sorge, das weißt du doch. Dir ist doch klar, daß du allen Leuten ringsum Kummer machst? Und du weißt doch, daß euer Trainer McGreevey fast schon das Handtuch wirft? Und der arme Onkel Bernie rauft sich auch schon die Haare mit einer Hand.« Er beugte sich zu ihr hin und vermied es wieder, sie oder den Stuhl zu berühren. »Und denk mal an Thrall. Ist das eine Art, ein Pferd zu behandeln? Mit einer Tante kann man das ja machen, auch mit einem Trainer vielleicht, aber mit einem Pferd?«
    »Selbst wenn ich Thrall besuchen wollte, würden sie mich nicht lassen.«
    »Ach, das Fräulein kann ja reden und hat seine Zunge doch nicht verschluckt!«
    Molly ging darauf nicht ein und verfiel wieder in ihr altes Brüten.
    »Mach dir nichts vor«, fuhr Bernie fort. »Du meinst, mir macht es etwas aus, wenn du dich so aufführst? Nicht die Bohne. Aber ich denke an das Pferd. Das steht in seiner Box und rührt kein Fressen an und wird beim Training immer langsamer. Wie soll Hotspur im Derby fair siegen, wenn Thrall nur mit halber Kraft antritt?«
    »Hier ist es so schrecklich sonnig«, sagte sie lustlos.
    »Du magst die Sonne, hast du mir gesagt! Was bist du eigentlich, eine Lügnerin oder ein verzogenes, egoistisches Gör oder beides?«
    Da schaute sie ihn an, und ein Funkeln trat kurz in ihre Augen. »Bring mich hinein.«
    »Ich habe nicht die Kraft.«
    Sie griff mit der unverbundenen Hand an ein Rad des Rollstuhls und versuchte, ihn in Bewegung zu setzen, doch es gelang ihr nur, einen Halbkreis zu fahren, so daß sie ihm jetzt den Rücken zuwandte.
    Bernie ging um sie herum und beugte sich zu ihr herab. »Du bist ein ganz raffiniertes Biest. Bei dir weiß man nie, wie man dran ist. Soll ich dir mal eine Geschichte erzählen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Na schön, dann behalte ich sie für mich. Oder? Hör zu. Da fragt Kohn seine Frau Sarah: ›War der Veilchenbaum hier?‹ Wundert sich seine Frau: ›Will er denn unsere Esther heiraten?‹ Da empört sich Kohn: ›Unsere Esther heiraten? Jetzt sagt er mit einemmal, er will keine Katz im Sack kaufen. Er will machen vorher eine Prob!‹ Da meint die Frau: ›Wozu eine Prob? Können wir aufgeben Referenzen!‹«
    Scheinbar endlos zog sich das Schweigen hin, doch Bernie wartete geduldig.
    Mit einemmal bemerkte Molly: »Das war ein alter Witz, den kannte ich schon. Außerdem weiß ich viel lustigere.«
    »Na, dann erzähl mir doch einen.«
    Ohne Nachdenken sagte sie: »Der kleine Samuel spielt mit dem kleinen Tom, und plötzlich meint Tom: ›Mein Priester weiß mehr als dein Rabbi!‹ Worauf Samuel entgegnete: ›Das ist keine Kunst. Ihr sagt ihm doch alles.‹«
    Bernie bog sich förmlich vor Lachen und schlug sich vor Vergnügen auf das Knie.
    »So komisch war er dann auch wieder nicht«, meinte Molly.
    Bernie setzte sich mit untergeschlagenen Beinen zu ihren Füßen hin. »Ich weiß noch einen über Rennen. Sid Salomón trifft Ansel Marx auf der Galopprennbahn und fragt ihn: ›Wie machst du das nur, daß du immer gewinnst?‹ Da prahlt Ansel: ›Das ist ganz einfach. Ehe ich herkomme, gehe ich immer in den Tempel und bete.‹ Am nächsten Sonntag treffen sie sich wieder, und Sid schüttelt den Kopf. ›Ich versteh' das nicht, jetzt habe ich gebetet, und trotzdem verliere ich immer.‹ Da fragt Ansel: ›In welchem Tempel warst du?‹ Sagt Sid: ›Beth Israel.‹ Nun schüttelt Ansel den Kopf: ›Du Idiot, der ist doch für Traber.‹«
    Molly lachte laut, und Bernie sprang auf die Beine, doch dann sagte Molly: »Fahr mich hinein.«
    Bernie stand wie angewurzelt da, und seine Stimme klang so verkrampft, wie seine Muskeln sich anfühlten. »Das Mädchen ist wirklich unmöglich. Ich verfluche es. Möge es Läuse bekommen und zu kurze Arme, um sich zu kratzen. Mögen alle ihre Zähne ausfallen bis auf einen, und der soll schmerzen!«
    Da fing Molly zu kichern an, und zum ersten Mal kam es ihm so vor, als sei sie auf dem Weg zur Besserung. Jedenfalls gab er nicht auf, sondern hockte sich neben sie.
    »Lass dir mal

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