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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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es Blake. »Je länger sie wegbleibt, desto sicherer ist sie«, sagte er. Und dann zu Andrew gewandt: »Er wird nichts vor dem letzten Augenblick unternehmen, darauf kann man sich wahrscheinlich verlassen. Ich werde mit dem Bastard ein brüderliches Gespräch führen.«
    Brüderlich. Ehe Blake das ganz begriff, merkte er, daß Andrew die Ohren spitzte. Er starrte auf die Tür, die sich hinter Clay geschlossen hatte, und runzelte zornig die Stirn.
    Blake faltete das Blatt Papier auseinander und wollte es gerade lesen, als das Telefon summte. Und da Andrew sich nicht rührte, humpelte er mit dem Stock in den Vorraum und nahm den Hörer ab.
    Es war ein Anruf der Detektei: Peter Cowley hatte Kimberleys Spur auf der Autobahn verloren, die nach Westen, nach Indiana führte …
    Er klopfte zweimal an der Tür und schob sie dann auf: »Ich bin's nur, Pater Bernard Golden, Ihr jüdischer Pastor, der Ihnen die Beichte abnehmen will.«
    Schwester Grace, die hinter ihm einen leeren Rollstuhl hereinschob, mußte lachen.
    Molly drehte den Kopf zu ihm, schaute ihn an, schwieg aber. Ihr Gesicht war so weiß wie die Laken und die Verbände und der Gips an ihrem Arm, und ihre Augen blickten leblos und leer.
    »Ich habe schon auf dem ganzen Stock Beichten abgehört«, sagte Bernie mit gespielter Munterkeit, »und man traut kaum seinen Ohren, was die Leute alles vergeben haben wollen.«
    Schwester Grace fügte hinzu: »Ich habe … Pater Golden hier die Erlaubnis gegeben, Sie nach draußen zu nehmen, sofern Sie versprechen, keinen Schritt zu laufen.«
    Molly protestierte nicht, daß ihre Verletzungen im Oberkörper und im Arm sie nicht daran hindern konnten, sich auf die Füße zu stellen. Das wäre früher von ihr zu erwarten gewesen, zumal sie immer gegen alles rebellierte. Aber jetzt war es nicht die Molly, die er gekannt und die er – sich selbst gestand er es ein – lieben gelernt hatte.
    »Und Sie, junger Mann, sollten das Sakrileg nicht zu weit treiben«, ermahnte sie ihn nachsichtig, als sie aus dem Zimmer wollte.
    »Ach, Schwester, können Sie die Küche dazu bringen, mir gegrillten Fisch zu servieren. Notfalls genügt auch eine Fleischbrühe, um meinen armen, geschundenen Körper wieder zu Kräften kommen zu lassen.«
    »Molly«, meinte Schwester Grace vom Türrahmen her, »achten Sie nicht auf ihn. Er ist von einem tollwütigen Hund gebissen worden. Er kann nichts dafür.« Und dann an Bernie gewandt: »Passen Sie mir gut auf sie auf.«
    »Jeder, der mit tausend Pfund lebendem Pferdefleisch fertig wird, wird auch mit einem Mädchen von hundert Pfund fertig, oder?«
    »Da würde ich mich nicht darauf verlassen«, spottete die Nonne und ging.
    Bernie trat neben Mollys Bett und vermied es, sie zu berühren. »Ich kenne nur einen irischen Witz«, sagte er ihr. »Die anderen sind jüdisch. Also, jetzt steh mal unter eigenem Dampf auf und setz dich in den Rollstuhl. Ich schiebe dich in den Garten hinaus.«
    »Ich will nicht in den Garten.«
    »Du willst überhaupt nichts, das ist dein Problem, Irin. Jetzt hopp.« Und während sie zu seiner Überraschung folgte, fuhr er fort: »Da war dieser Bursche namens Leo, der in einem Beichtstuhl in Belfast saß. ›Vater, ich habe gesündigt‹, sagte er zum Priester. ›Ich habe dreihundert Meilen englische Eisenbahnschienen in die Luft gejagt.‹ Und da sagte der Priester: ›Na schön, Junge, dann nimm dir als Buße die Stationen vor.‹«
    Ihr schmaler Körper saß im Rollstuhl, und der leise Anflug eines Lächelns kräuselte ihre Lippen. Aber ihr Blick hatte sich nicht geändert, er blieb lustlos. Das war der Schock, wie sie ihm gesagt hatten. Aber es lag nicht nur daran. Das wußte er genau so gut wie ihre Tante, weil er Molly auch schon recht gut kannte oder glaubte, sie zu kennen. Aber selbst für ein sonst fröhliches Mädchen war der Anflug eines Lächelns bereits ein hoffnungsvolles Zeichen, oder?
    Er tat sich etwas schwer, den Rollstuhl mit einem Arm durch die Türen zu bugsieren, und dann schob er sie durch einen bepflanzten Innenhof und anschließend in den schattigen Garten, der das Krankenhaus umgab. Er bot ihr an, ihr auf den Gips sein Autogramm zu geben, aber sie reagierte nicht.
    Es waren kaum andere Patienten draußen. Molly und er waren hier von Ruhe und Blumen umgeben.
    Er schaute in den strahlend klaren Himmel hinauf. »Man muß schon ein Pferd wie Hotspur kennen, um etwas gegen Sonnenschein zu haben«, sagte er. »Was für ein Geläuf bevorzugt Irish

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