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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit
Autoren: Hayes Joseph
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angekreidet, wenn er nicht auf einmal so brutal geworden wäre. Ihre linke Gesichtshälfte war noch ein wenig geschwollen, aber sie schmerzte nicht mehr.
    Auf eine bestimmte Weise hatten sie seine fast schüchterne Abbitte und Zerknirschung gerührt und ihre Sympathien geweckt. Sosehr sie seine männliche Kraft und selbstsichere Ausstrahlung brauchte, fand sie doch den in ihm steckenden verlegenen und reumütigen Jungen unwiderstehlich. Er brauchte keine Worte zu machen; sie wußte, daß ihm der Ausrutscher leid tat und daß ihr unpassender Heiterkeitsausbruch – mehr war es nicht gewesen, wenn auch eine alkoholbedingte Hemmungslosigkeit mitspielte – in ihm den Jähzorn ausgelöst hatte. Seine Entschuldigung mußte er nicht in Worte fassen.
    Er hatte mit ihr geschlafen. Behutsam und mit Zärtlichkeit, und ohne die anstößigen Worte in den Mund zu nehmen; er hatte sogar während Graf Wyatts Fernsehsendung weitergemacht und sich zurückgehalten bis zum gloriosen und kaum noch erträglichen Höhepunkt. Da hatte er »ich liebe dich, Chrissie« gesagt, und ihr Orgasmus hatte sie fast zerrissen.
    Seine Worte mehr noch als die Art des Liebesakts und des einfühlsamen Nachspiels hatten die Ungewissheit und Skepsis in ihr beschwichtigt. Er hatte damit alle Fragen, die sie während der Nacht geplagt hatten, weggewischt.
    Auf dem Weg zur Rennbahn durch den dichter werdenden Verkehr hatte er wieder lauthals gesungen: »Mein Vater war 'ne Spielernatur, meine Mutter eine Hur', je mehr der Vater hat verspielt, desto mehr hat sie verdient.« Owen war wieder normal, und seine gute Laune steckte sie an. Sie freute sich auf das Oaks und wollte vielleicht ein paar Scheine auf Mrs. Stoddards Miß Mariah setzen. Sie freute sich auf ihre Loge und über die Sonne und auf das Menschengewühl und die Aufregung des Rennens.
    »Da ist noch etwas, was ich dir sagen muß, ehe wir ins Menschengetümmel geraten, Chrissie.«
    »Ich mag diesen Anzug an dir, Owen. Er steht dir blendend, und du fällst damit richtig angenehm auf.«
    »Hör zu, Chrissie …«
    »Ich höre zu, Liebling.«
    Er schaute nach vorn und hatte das Kinn vorgereckt. »Ich gebe zu, ich war eifersüchtig.«
    Also hatte sie es letzte Nacht richtig gedeutet. Darauf lief es also alles hinaus. »Ich habe nichts dagegen.«
    »Männer wie Andrew Cameron … ich kann nichts dafür. Wenn es sich um dich dreht, bin ich auf jeden eifersüchtig, einfach so.«
    Sie legte eine Hand auf die seine am Steuer, ohne den weißen Handschuh auszuziehen. »Mir gefällt es.«
    »Das solltest du nur erfahren.«
    »Ich werde den ganzen Vorfall vergessen. Und du hast wirklich keinen Grund zur Eifersucht.«
    »Ich hatte einfach Angst, daß ihr … daß du etwas für ihn übrig hast.«
    Sie lachte. Was für ein altmodischer Satz, und das aus Owens Mund.
    Er schaute zu ihr hin und grinste: »Wenn das so wäre, ich hätte ihn umgebracht.«
    Entzückt zog sie die Hand zurück und rückte ihren auffälligen Hut zurecht. »Ich will … ich habe nur für dich etwas übrig, Owen.« Und das war die Wahrheit.
    »Na ja«, meinte Owen, »an meine Eifersucht mußt du dich gewöhnen. Sie wird noch schlimmer, wenn wir erst verheiratet sind.«
    Naomi Yogi war nicht mehr amüsiert.
    Vergangene Nacht, als Mrs. Takashi, die Frau seines Chefs, unangemeldet und unerwartet aufgetaucht war und mit ruhiger Würde die beiden Blondinen (Hosomoto Takashis drittes Paar diese Woche) aus der Suite geworfen hatte – sie hatte lediglich die Tür aufgemacht und ›hinaus‹ gesagt –, hatte er das sehr komisch gefunden, auch wenn er es sich natürlich nicht hatte anmerken lassen. Er hatte grinsend im Bett gelegen und war sogar noch grinsend aufgewacht. Die Szene war einfach urkomisch und hätte auf die Bühne gepaßt.
    Aber jetzt war er nicht mehr amüsiert. Auf dem Weg zur Rennbahn in der großen, schwarzen Limousine war ihm gekündigt worden. Alle seine sorgfältig vorangetriebenen Pläne für seine Zukunft waren mit einem Mal gescheitert. Nun konnte er nicht mehr die Angelegenheiten Mr. Takashis insgeheim manipulieren, um sich eines Tages an seine Stelle zu setzen. Daß es ihm am Ende gelungen wäre, daran zweifelte er nicht, und dann wollte er sich einen ebenso gewichtigen Namen im Renngeschehen machen wie sein derzeitiger Chef.
    Er saß nun mit Mr. und Mrs. Takashi in der Loge und wartete auf das Kentucky Oaks. Die Sonne brannte, das Menschengewühl wurde immer größer, aber er wagte nicht, sich seine Enttäuschung und
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