Sekunde der Wahrheit
Frustration anmerken zu lassen. Er mußte lächeln und sich verneigen und weiterhin höflich sein. Und überlegte sich inzwischen, ob er nicht Aussichten auf eine Karriere bei der Yakuza, der japanischen Mafia, hatte.
Was ihn am empfindlichsten störte, war, daß er seinen Hinauswurf nicht der Tatsache verdankte, daß sein Chef ihm auf seine hinterhältigen Schliche gekommen war, sondern dem Machtwort von Mrs. Takashi. Sie konnte ihm nicht verzeihen, daß er ihrem Mann die blonden Gespielinnen zugeführt hatte; mit Geishas hätte sie sich abfinden können.
Ohne daß darüber ein Wort gefallen wäre, wußte Yogi mit Sicherheit, daß es sich so verhalten hatte. Ironischerweise verdankte er die ganze Pleite der beginnenden Frauenemanzipation in Japan, denn vor Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, daß Mrs. Takashi allein die weite Reise nach Amerika angetreten hätte.
Yogi fühlte sich elend. Gegen solche Schicksalsschläge war er machtlos, und sie schlugen ihm heftig auf den Magen. Er war wütend, das Opfer der Umstände zu sein. Und als Mr. und Mrs. Takashi sich über seinen Kopf weg unterhielten, als sei er überhaupt nicht da, empfahl er sich.
Fünfzehn Minuten bis zum Start.
Obgleich sie Mollys Abwesenheit als lähmend empfand, ebenso wie Andrews höfliche Distanziertheit, siegte Brigid Tyrones heiteres Naturell, und sie wollte sich das Oaks nicht verderben lassen.
Die Sonne brannte erbarmungslos hernieder, und in der bunten Menschenmenge herrschte eine fieberhafte und gespannte Fröhlichkeit wie immer vor einem Rennen. Sie fand Rennen immer wieder ungeheuer aufregend, und das würde sich auch in Zukunft nicht ändern. Obgleich sonst ihre Zukunft nicht gerade rosig vor ihr lag, zumindest recht ungewiss.
Während Andrew mit einer alten Freundin plauderte, der allgemein beliebten und verehrten Mrs. Stoddard, wurde Brigid von dem Familienanwalt, Mr. Raynolds, unterhalten. »… Sie müssen verzeihen, wenn ich meine Beschwerden erwähne, aber deshalb sitze ich an der Innenseite und stehe nicht einmal zur Begrüßung auf.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Raynolds. Ich habe Pferde mit Rheuma erlebt … vergeben Sie den Vergleich, aber ich kann mir die Schmerzen vorstellen.«
»Sie treten immer besonders heftig auf, wenn ich den Gesellschaftslöwen spielen muß«, fuhr er in seinem gemütlich gedehnten Tonfall fort. »Halten Sie meine Krankheit vielleicht für psychosomatisch?«
Sie ließ den Blick über die ganze Szenerie schweifen. Letzte Hand wurde an das Geläuf angelegt, und die Menge im Inneren des Ovals schien nicht so groß wie beim Derby Trail, obgleich das Oaks das bedeutendste Zuchtrennen für Stuten war. Trotz Andrews Zuneigung für Mrs. Stoddard hatte sie fünfzig Dollar auf Golden Ciaire gesetzt.
Mrs. Stoddard war in diesen wenigen Tagen merklich gealtert. Sie wirkte nicht mehr wie ein königliches Schlachtschiff, sondern wie eine müde, alte Frau. Sie nickte zwar zu Andrews Worten hin und wieder, aber ihre Augen blickten nicht lebhaft wie sonst, und sie schien in sich zusammengesunken, als sei sie vielleicht krank.
»… Kennen Sie den Ausdruck Partymuffel?«
»Nein, aber ich kann mir etwas darunter vorstellen, Mr. Raynolds. Hat man Ihnen denn vorgehalten, Sie seien einer?«
»Nein, aber das bin ich entschieden, und mit Pferderennen geht es mir ähnlich.«
Brigid konnte sich nicht vorstellen, daß man von einem großen Rennen nicht gefangengenommen wurde. Sie schaute zu den anderen Logen hin. Die Hautots waren ihr ein paar Tage nicht über den Weg gelaufen, ebenso wenig der schwarze Baseballstar mit seiner bildhübschen Frau. Aber die Besitzer von Prescription saßen da, eine Familie von nunmehr vier Personen, der junge Mann mit einem schwarzen Bart und die Tochter wie immer wieselhaft. Sie versorgte alle mit Wettscheinen und Eis und Getränken.
Zwölf Minuten bis zum Start.
Mrs. Rosser hatte sich zu Mrs. Stoddard gesellt, und neben ihr stand Owen Chalmers, der gutaussehende Trainer von Fireaway. Andrews eben noch fröhliche Miene war versteinert.
Mrs. Rosser machte Anstalten, die beiden Männer miteinander bekannt zu machen.
Ohne die Hand auszustrecken sagte Andrew: »Mr. Chalmers und ich kennen uns.« Mehr nicht.
»Wie geht es Ihnen heute, Mr. Cameron?« erkundigte sich Owen Chalmers mit reservierter, höflicher Miene, aber einem abwartenden Lauern in den blaßblauen Augen. Er streckte Andrew die Hand hin.
Mrs. Rosser plauderte mit Mrs. Stoddard.
Regungslos
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