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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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oder sie hinauswerfen.
    »Wohin gehst du?« fragte Wyatt Slingerland.
    »Zum Essen. Warum?«
    Eifersucht nagte an ihm. Wyatt wurde es am ganzen Körper heiß und dann kalt. Wie konnte er zulassen, daß sie ihn soweit brachte? Er wußte, wohin sie wollte, und was nach dem Abendessen folgte. Wyatt wollte ihr Vorwürfe machen, aber er hatte keinen Grund, schließlich hatte er ihr nichts vorzuschreiben. Es war Freitag, und nach dem morgigen Tag würde er sie nie wieder sehen. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
    Sie hatte ihr mürrisches Schweigen lang genug gebrochen, um ihm mitzuteilen, daß sie die Geschichte ihrem Herausgeber am Telefon vorgelesen hatte, er sie aber nicht drucken wollte. »Er liebt Anspielungen und er meint, ich sei auf etwas gestoßen, aber es sei alles zu nebulös. Zu viele Vermutungen. Er bezeichnete die Geschichte sogar als Fiktion.« Das war ihre Art, ihn zu bitten.
    Nun stand sie nackt vor dem Spiegel und zog ihren Sweater an. Es war eine wohlüberlegte Quälerei. Lass die Pfoten von mir. Aber er beobachtete sie mit verachtenswerter Hilflosigkeit und mit Begierde.
    »Warum machen wir es nicht gemeinsam?« hatte sie gefragt. »Lassen die ganze Sache hochgehen. Berichten, was hinter den schleimigen Kulissen vorgeht. Warum nicht? Die wahre Story des Kentucky Derby. Bringen den Dreck endlich an die Öffentlichkeit.«
    »Ich habe mein Wort gegeben.«
    »Was hast du?«
    »Es ist ganz einfach, ich habe mein Wort gegeben, Jan.«
    »Wyatt Junge, wir leben im zwanzigsten Jahrhundert. Ethik ist eine Vorlesung für erste Semester. Heute glaubt niemand mehr daran.«
    »Doch, ich.«
    Traf das denn zu? Was bedeutete es ihm? Ein Brand war gelegt worden, ein Pferd war gestohlen und zurückgegeben worden, mit seiner Hilfe. Mehr wollte sie nicht wissen. Tatsachen. Jeder gute Reporter jagte dahinter her. Aber er konnte es trotzdem nicht. Und er wußte, daß er masturbieren würde, sobald sie gegangen war. Wieder.
    »Du bist wirklich ein Fabelwesen«, hatte sie gesagt. »Kaum zu glauben. Du kehrst alles unter den Teppich, und zwar aus moralischen Bedenken. Ungeheuer, Mann.«
    Mittlerweile war sie angezogen und drückte mit den Händen noch ihre Frisur hin. Dann ging sie in das Wohnzimmer und ergriff ihre Umhängetasche. Er trottete ihr nach wie ein Narr, wie ein vollendeter Schwachkopf von einem Mann, als dürfe er sich den letzten Blick nicht entgehen lassen, ehe sie mit einem anderen Mann loszog. Als sei die Demütigung noch nicht genug.
    An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Ich sitze nie auf dem trockenen. Um mich reißen sie sich. Wenn ich zurückkomme und du dir noch nicht genug heruntergeholt hast, dann blase ich dir einen.«
    »Wenn«, sagte er säuerlich und ekelte sich vor sich selbst.
    »Natürlich, Junge. Wenn.«
    In Andrews Privatmaschine, die von ihm selbst geflogen wurde, waren nicht viele Worte gewechselt worden, weder auf der Strecke von Louisville nach Chicago noch auf dem Rückflug.
    Als sich eine silberne Dämmerung herniedergesenkt hatte, war das Wetter das Thema gewesen. Unverfänglich, jeder sprach davon.
    »Wir haben Cirrocumulus oben«, hatte Andrew berichtet, »und tiefer Stratus, von Nimbostratus nichts zu sehen.«
    Aber Clay hatte eine andere Methode, das Wetter für den nächsten Tag vorherzusagen. »Roter Himmel am Abend, erquickend und labend.« Aber der Himmel war nicht rot, sondern nur rosig angehaucht, das sprach für Schönwetter.
    »Prima für Starbright, aber nicht so gut für Ihren Rappen, Clay.«
    »Hotspur schläft nicht ein, nur weil es nicht regnet«, hatte Clay ihn erinnert.
    Andrew hatte gelacht, aber es kam nicht richtig heraus.
    »Eine freundliche Warnung noch, Clay …«
    »Ja?«
    »Wenn Sie sich zurückhalten und nicht zu viele Fragen stellen könnten, wäre es gut. Sie weiß von nichts, und Fragen irritieren Sie sehr. Es ist eine heikle Situation. Mir ist klar, daß Sie bis zum Hals in der Sache stecken, und da kann ich Ihnen auch das Schlimmste nicht ersparen. Diese Blackouts entsetzen sie noch mehr als ihre Ausflüge an sich.«
    »Ich werde mich beherrschen«, hatte Clay versprochen.
    Auf dem Heimflug, als Kimberley hinter dem Pilot auf ihrem Sitz neben Clay zusammengekauert saß, fiel ihm das wieder ein. Und er dachte auch an die Szene in Chicago auf den Stufen des Kunstzentrums an der Michigan Avenue, wo sie verabredungsgemäß auf sie gewartet hatte. Sie hatte mit gesenktem Kopf dagehockt, hatte dann benommen aufgeschaut, mit einem gehetzten

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