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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Hosomoto, der nie begriff, warum die Leute hier Vor- und Familiennamen verdrehten, stellte nur eine einzige Bedingung: das Mädchen müsse blond sein. Echt blond. Wenn man versuchen sollte, ihn hinters Licht zu führen, dann würde er es ja zum gegebenen Zeitpunkt merken, nicht wahr?
    Während er sich mit Yogis Hilfe entkleidete, ein Aspekt des Dienstverhältnisses, der Yogi zutiefst störte, überlegte er, ob alle amerikanischen Mädchen in der Öffentlichkeit so hemmungslos über ihren Busen redeten.
    Während er sich einen Scotch eingießen ließ, den er vor allen anderen Getränken bevorzugte, erkundigte er sich: »Wer ist eigentlich Anna Boleyn?«
    Der Flughafen hatte sich verändert. Die Stadt war nicht mehr wie früher. Und sie selbst, das mußte sie zugeben, war auch nicht mehr die Christine Norvelle, die damals von Louisville – wie lange war es her? – fortgezogen war. Im Flugzeug war ihr das Rechenkunststück doch schon einmal gelungen, betrunken wie sie gewesen war. Jetzt war sie sogar noch betrunkener, weil alle ihr die Drinks geradezu aufdrängten. Aber mit Sicherheit war sie sechsundvierzig Jahre alt, da war sie sich gegenüber ganz ehrlich, wenigstens insgeheim. Sechsundvierzig und wieder zu Hause, und eine Witwe, wenn auch keine lustige, weit entfernt davon. Es regnete, und sie hatte Louisville im Regen immer abscheulich gefunden.
    An einige der Straßen konnte sie sich noch erinnern: die weißen Häuser mit den breiten Veranden, roten Ziegeln und weiß gestrichenen Verschalungen. Nach einer Weile ging ihr auf, was ihr fremd vorkam: nicht mehr die alten Straßenlampen, die im Wind pendelten, sondern sehr moderne Gebilde. Jetzt auf der Autobahn mit Dunkelheit auf beiden Seiten hätte sie ebenso irgendwo in Neu-Mexiko oder Kalifornien sein können.
    Owen trug einen seiner elegantesten Gabardineanzüge, natürlich im Westernstil geschnitten, dazu die italienische Seidenkrawatte, die sie ihm nach Fireaways Sieg in Bay Meadows, nach einem Sieg in Kalifornien jedenfalls, geschenkt hatte. Das war die Art von Geschenk, die sie einem Trainer machen konnte, ohne Stuarts Misstrauen oder das anderer Leute zu erwecken – obgleich sie sicher den Rancharbeitern nicht viel hatte vormachen können.
    Stuart hatte wohl nicht die leiseste Ahnung gehabt oder sich jedenfalls nichts anmerken lassen. Gott segne den armen Mann, er war gütig gewesen – nicht daß sich im Bett in den letzten zehn Jahren etwas abgespielt hätte, aber das war nicht seine Schuld. Freundlich und großzügig war er gewesen, und sie hatte ihm das Leben so angenehm wie möglich gemacht.
    Auf der zweiten Etappe des Herflugs hatte sie beschlossen, in Louisville – an das Nachher hatte sie noch keine Gedanken verschwendet – so wenig wie möglich mit Owen zu tun zu haben und auf keinen Fall mit ihm zu schlafen. Nicht als Sühne, obgleich es sie hart ankommen würde; ihren kränkelnden Mann auf der Ranch zu betrügen, war ihr nicht so unpassend erschienen, aber das Verhältnis so kurz nach Stuarts Tod fortzusetzen, ging nicht an.
    Einige der Grundsätze, nach denen sie erzogen worden war, hatte sie zwischenzeitlich über Bord geworfen, aber beileibe nicht alle!
    Aber Owen Chalmers hatte sie so würdig, gut aussehend und nüchtern an der Ankunftrampe in Empfang genommen, daß ihre guten Vorsätze ins Schwanken gerieten, als sie ihm die Hand schüttelte und ihm dankte, daß er sie abgeholt hatte. Er erkundigte sich nicht nach den Vorkehrungen, die sie während des Tages getroffen hatte – sie schauderte beim Gedanken an Stuart, vorerst verlassen und aufgebahrt in einer fremden Stadt, bis sie weitere Pläne machte –, und nun waren sie auf dem Weg zu dem Haus auf dem Land, das ihnen ihre Freundin Marylou Wolforth samt Haushälterin für die Derbywoche überlassen hatte. Die Wolforths flüchteten immer während dieser Zeit nach Paris. Ihr war die Einladung um Stuarts willen lieb gewesen, weil es in einem Haus sicher ruhiger war als in einem Hotel, obgleich sie selbst lieber inmitten des geselligen Treibens der Stadt gewesen wäre. Nun fühlte sie sich doppelt betrogen, weil das Haus anscheinend weit außerhalb der Stadt lag.
    Mit einem rührend sorgenvollen Blick aus den blauen Augen hatte Owen sich artig nach ihrem Befinden erkundigt und sie dann zu einem schwarzen Lincoln geleitet, den er vorsorglich gemietet hatte und nun mit der gleichen gekonnten Lässigkeit fuhr, mit der er auch mit Pferden umging. Er berichtete von den anderen für

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