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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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das Derby gemeldeten Pferden, aber sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Allmählich verlor der Gin seine Wirkung. Owen verhielt sich korrekt und formell, wie man es von einem Trainer erwarten konnte. Obwohl er sie wahrscheinlich auf dieselbe Weise informierte, wie er es bei Stuart vor dem Rennen getan hatte, kam ihr alles seltsam und befremdend vor – sogar Owen wirkte auf sie wie ein Fremder. Bis ihr einfiel, daß auch er sich darüber klar werden mußte, daß ihre intime Beziehung fortzusetzen nun unpassend und unstatthaft war. Was sie gefühlsmäßig in einen Widerstreit zwischen Erleichterung und Enttäuschung brachte. Wie sollte sie die nächsten fünf Tage überstehen, ohne Owen, ohne Owen im Bett?
    Er langte zum Handschuhfach hinüber und machte es auf. Im schwachen Licht entdeckte sie eine silberne Taschenflasche, und da fühlte sie sich wohler. Noch ehe sie den Verschluss aufgeschraubt hatte, war ihr klar, daß es Gin sein würde, leicht mit Wermut aromatisiert, wie sie es gern hatte. Sie nahm einen kräftigen Schluck und genoß den bitteren Geschmack im Mund und das anschließende Brennen in ihrer Kehle. Als sie Owen die Flasche anbot, schüttelte er den Kopf und lachte zum ersten Mal. Es war der erste fröhliche Ton am Tag, es klang so gut und beruhigend, und da wurde ihr bewußt, wie sehr sie ihn während der endlosen leeren Stunden vermisst hatte.
    Einige Zeit mußte verstrichen sein, denn die Flasche war inzwischen leer und ihr Inhalt hatte eine angenehme Glut in ihr hervorgerufen. Der Lincoln fuhr nun über kurvenreiche Landstraßen. Die Landschaft mit Weiden und Koppelzäunen und Bäumen versetzte sie in die Jugend zurück. Diesen gewohnten Anblick hatte Chris in der trockenen Öde von Neu-Mexiko in letzter Zeit so bitter vermisst. Nicht am Anfang, da waren sie beide jung und verliebt gewesen, und Stuart hatte ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Tief in den Sitz gekuschelt, ließ sie die Gedanken Spazierengehen, wahllos und ziellos, und fragte sich dann, warum Owen ihr nicht – den neugierigen Blicken am Flughafen entzogen – einen einzigen Kuß gegeben hatte, nur einen, küssen heißt noch nicht miteinander schlafen …
    Owen redete weiter, über Geschäfte. Minstrel, der Sieger im englischen und irischen Derby … für neun Millionen Dollar als Zuchthengst syndikatisiert, und Seattle Slew, nachdem er die Triple Crown gewonnen hatte, für zwölf. Mit einem siegreichen Vollblüter war viel Geld zu machen, klar, bei 35.000 Dollar pro Sprung. »War ein verteufeltes Stück Arbeit, Chris, aber ich hab's geschafft. Wenn wir das Derby gewinnen, bekommen wir acht Millionen Dollar für die Syndikatisierung von Fireaway, und das doppelte, wenn er auch noch das Preakness und Belmont schafft. Sechzehn Millionen Dollar, Chris, stell dir das vor! Und Mr. Rosser stimmte zu, daß das ein verdammt gutes Geschäft ist.«
    »Wie ist das mit dem Syndikatisieren?« erkundigte sie sich.
    »Eine Gruppe von Leuten oder Gestüten oder Rennställen kauft das Spitzenpferd, und sie teilt sich die Renngewinne und vor allem die Gewinne aus der Zucht. Oder sie verwenden den Hengst nur zur Verbesserung der eigenen Zucht.«
    Sie konnte sich nicht recht konzentrieren. Hatte Stuart denn überhaupt zugestimmt? Vage erinnerte sie sich an ein gemeinsames Abendessen bei Kerzenlicht, bei dem Stuart erklärt hatte, nicht um des Geldes willen bei Rennen mitzumachen, und an Owens lachende Entgegnung, bei Rennen ginge es jedem nur um Geld. Stuart hatte Owen aufgezogen, daß sein Anteil als Trainer zehn Prozent betrage und ihm fast eine Million einbringe, wenn Fireaway das Derby gewinnen würde, und daß es von seiner Warte aus schon ein gutes Geschäft sei. Er hingegen würde das Pferd lieber weiterhin auf den Rennbahnen an der Ostküste starten lassen. Nach einigen siegreichen Jahren konnte es noch immer mit noch größerem Gewinn in die Zucht gehen, und er wisse ja nicht, wie lange er noch habe. Er wolle das einzig wirklich erstklassige Pferd, das er jemals besessen habe, genießen und mit ihm sein Glück probieren.
    Als Chris merkte, daß sie Owen noch eine Antwort schuldig war, stammelte sie: »Stu war gegen die … gegen die Syndikatisierung, oder?«
    Sehr ruhig und vernünftig erwiderte er: »Er war gegen die Syndikatisierung, weil er Fireaway mit seinen Rennfarben Siegen sehen wollte. Aber, Chris, Fireaway ist nicht das einzige Pferd, das du erleben wirst. Ich habe ihn ausgesucht, wie du weißt, für lausige siebzigtausend

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