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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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noch der ganzen Welt im reinen. Jetzt erst kapierte er, was Pepe Benitez da vorhin gemurmelt hatte, daß der kostbare Ring doch nicht nötig gewesen wäre. Und dann fielen Clay die vielen teuren Geschenke ein, mit denen sie ihn vor Jahren überschüttet hatte, goldene Manschettenknöpfe, die er nie getragen hatte, Kaschmirjacken und Seidenhemden. Sie war nicht davon abzubringen gewesen, es war wie ein Zwang, als müßte sie Liebe erkaufen oder mit Geschenken absichern, so, als könne niemand sie um ihrer selbst willen lieben.
    Gefährlich schnell und riskant war Clay aus der Stadt gerast. Doch dann hatte sein Verstand wieder zu arbeiten begonnen, und Clay empfand plötzlich Verständnis für Kimberley, als er sie mit windzerzaustem Haar neben sich sitzen sah. Er bog eine schattige Nebenstraße ein, der Duft der Bäume, des gemähten Grases und der Scholle umfing sie. Langsam und schweigend rollten sie an weißen Koppelzäunen vorbei, an weitläufigen Farmen und Gestüten, an blaugrünen Weiden und weißen Stallungen. Er hatte ihre Hand in seine genommen, und als sie sich angesehen hatten, las Clay in Kimberleys Augen Verwunderung und die Bitte um Nachsicht.
    Doch als sie den Mund auftat, baffte sie: »Der Teufel soll dich holen, Clay Chalmers.«
    Er hatte gar nicht erst den schon früher fruchtlos gebliebenen Versuch unternommen, ihr zu erklären, daß sie seine Liebe nicht zu kaufen brauchte, weder jetzt noch künftig.
    »Ich war noch zu klein, aber jetzt ist es mir wieder eingefallen«, sagte er statt dessen. »Wir haben hier einmal gewohnt. In der alten Frankfurter Landstraße, auch Shady Lane genannt. Mein Vater schwadronierte, daß die Pferde, die hier in dieser Gegend geboren werden, die künftigen Sieger auf allen Rennbahnen wären.«
    »War dein Vater auch ein Bastard?«
    Sie fuhren an einem Schild vorbei: Thistle Hills Farm, Vincent Vans Stall. Ihre Hand verkrampfte sich in seiner. »Sie haben Vincent Van noch nicht in den Downs eingestellt, aber seit er das Wood gewonnen hat, hält Mr. Arnold ihn für unsere stärkste Konkurrenz.«
    Jason Arnold. Clay hatte sich oft gefragt, ob der Trainer, von dem er so viel gelernt hatte, auch an Andrew Camerons Boykottfeldzug gegen Clay beteiligt war. Allem zum Trotz war er aber jetzt hier! Und zu allem Überfluss mit Andrew Camerons Tochter. Er gab Gas.
    Nach einer weiteren Meile verlangsamte er das Tempo, einem Impuls folgend bog Clay in einen überwucherten Sommerweg ein. Eine vage Erinnerung war ihm gekommen, und nach ein paar hundert Metern erreichten sie den verschlafenen Fluss mit einer überdachten Brücke. Die Bohlen schepperten unter den Rädern, und die Holzwände waren am Vermodern.
    Unvermittelt sagte Kimberley: »Komm, halt an. Ich will mit dir schlafen.«
    Und sie hatten sich geliebt. Am Flussufer, abseits der Straße, in diesem Hain blühender Robinien. Sie hatten sich ineinander versenkt, wortlos und hingebungsvoll, zärtlich und ohne die Vehemenz der Verzweiflung. Anschließend hatte Kimberley sich ausgestreckt und war wie ein zufriedenes Kind eingeschlummert.
    Er vernahm ein Geräusch in der Ferne, ein Grollen wie von einem Bombenangriff. Dann war nur noch das Grillen und Zirpen der Insekten zu hören. Er traute seinen Ohren nicht und wagte nicht zu hoffen. Er wartete, und da war es wieder, ein Donnerrollen im Westen. Und dann nichts.
    Urplötzlich durchzuckte ein Blitz den Himmel, ein Donnerschlag krachte ohrenbetäubend, und auf der Oberfläche des Flusses klatschen die ersten großen Regentropfen. Dann öffnete der Himmel die Schleusen, und es goß in Strömen. Kimberley sprang nach einem Protestschrei auf, in Sekunden nass bis auf die Haut. Dann stand sie jubelnd und strahlend da: »Ich hab's dir doch gesagt. Die Pferde spüren es!«
    Als Andrew Cameron in ihrem Zimmer angerufen hatte, war er von Brigid zu einem Cocktail vor dem Essen eingeladen worden und hatte nach einer unmerklichen Pause leichten Herzens zugesagt: »Ich bin gleich oben.«
    Bei Cocktails – er hatte Scotch getrunken – hatte er sie mit Anekdoten über gewonnen geglaubte Rennen unterhalten, bei denen dann Trainer und Jockeys die Schuld am Versagen auf die armen Pferde geschoben hatten. Er erzählte die Begebenheiten mit so viel trockenem Humor und Verständnis für menschliche Schwächen, daß sie angenehm berührt war und öfters – zu ihrem Erstaunen – hellauf lachte.
    Es war ihr den ganzen Tag unbehaglich gewesen, daß sie seine Einladung auf dem Guinea stand so

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