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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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bereitwillig angenommen hatte. Wäre ihr nicht Daniels leiser Spott in den Ohren geklungen, sie hätte die Verabredung telefonisch rückgängig gemacht. Doch als er ihr dann das Cape um die Schultern legte und sie ausgingen, fühlte sie sich ganz entspannt und fast erwartungsvoll.
    Im Lift waren ihr Mr. und Mrs. James Oliver vorgestellt worden, er mit einem jovialen, roten Gesicht, die Frau groß und dunkel, begleitet von einem bärtigen jungen Mann in einem motorisierten Rollstuhl, ihrem Sohn Leonard. Alle drei waren fröhlich und schienen schon recht angeheitert. Andrew Cameron wünschte ihnen Glück für den morgigen Tag, dem Trial mit ihrem Pferd True Blue am Start, wie Brigid sich erinnerte. Die Olivers bedankten sich und luden sie ein, den Abend mit ihnen zu verbringen, doch Andrew hatte höflich abgelehnt.
    Als die Aufzugstür aufglitt, standen sie plötzlich vor Andrews Tochter. Kimberley war völlig durchgeweicht, mit verfilztem, nassem Haar und zu allem Überfluss barfuss. Sie trug die Reitstiefel in der Hand und wirkte strahlend glücklich. Neben ihr stand der junge, ernsthafte Mann, den sie beim Bankett und später im Restaurant gesehen hatte. Die Aufforderung mit dem hingeworfenen Zimmerschlüssel war anscheinend nicht ungehört verhallt.
    »Andrew«, rief das Mädchen aus. Die Sitte, Eltern mit Vornamen anzureden, behagte Brigid nicht, und sie wappnete sich innerlich gegen irgendwelche neuerlichen Ausfälligkeiten. Doch Kimberley küßte ihre Fingerspitzen, strich damit über ihres Vaters Wange und kam ihm nicht nahe, um sein Dinner-Jackett nicht nass zu machen. Dann: »Oh, Mrs. Tyrone, darf ich Ihnen Clay Chalmers vorstellen? Er hat versucht, mich in einem offenen Wagen zu ertränken.«
    Clay Chalmers nickte höflich und richtete dann seine braunen Augen wieder auf Andrew Cameron, als erwartete er eine bestimmte Reaktion.
    Andrew Cameron begrüßte Clay höflich, aber mit unverkennbarer Schärfe in der Stimme. Seine Miene war eisig, und die Männer gaben sich nicht die Hand. »Wie geht es Ihnen?«
    Clay Chalmers antwortete in gequetschtem Tonfall: »So gut wie nie zuvor.«
    Da wandte Kimberley sich an Brigid: »Ich schulde Ihnen wohl eine Bitte um Vergebung.« Das zauberhafte, junge Gesicht war ernst und fast scheu. »Andrew wird es aus Loyalität nicht zugeben aber ich benehme mich immer wieder einfach unmöglich.« Dann verwandelte sie sich wieder in das übermütige Kind, das fröhlich in den Tag hineinlebt: »Aber entschuldigen Sie bitte.« Mit einem Knicks, der gar nicht spöttisch wirkte.
    Etwas verblüfft erwiderte Brigid: »Wir benehmen uns alle gelegentlich daneben, Miß Cameron. Das ist nur menschlich.«
    Dann hängte sie sich bei Andrew ein. »Sie sollten Ihrer Tochter ein heißes Bad verordnen, damit sie sich keine Lungenentzündung holt.«
    Etwas vorschnell mischte sich Clay Chalmers ein: »Genau das hatten wir vor.« Er hätte ruhig noch ›gemeinsam‹ hinzufügen können, dachte Brigid.
    Andrew sagte nichts. Er geleitete sie durch die Hotelhalle zum Parkdeck, und hinter ihnen schloß sich die Aufzugtür. So läuft der Hase also. Wieder bedrängte sie der Verdacht von gestern nacht: ein possessiver Vater und eine aufsässige Tochter, die wider den Stachel leckt. Oder steckt noch mehr dahinter?
    »Sie ist wirklich bezaubernd«, sagte Brigid.
    »Wenn sie will«, antwortete Andrew. Mehr nicht.
    Lassen wir es. Es geht dich sowieso nichts an. Misch dich nicht ein, Brigid, warnte sie sich.
    Im Lift, den sie mit zwei Japanern in dunklen Anzügen teilten, wurde Clay übel, und er dachte an jene letzte Begegnung mit Andrew Cameron, an die Schläge, die er eingesteckt hatte, in dem Bewußtsein, daß er alles verspielt hatte, Kimberley, seine Zukunft auf dem Turf, sein Leben …
    Doch nun gehörte dies der Vergangenheit an. Er befand sich im besten Hotel von Louisville, Kimberley neben sich, das Derby stand bevor, und Kimberleys Stimme drang mit verschwörerischem Flüstern in seine Alpträumerei.
    »Wir hätten doch in meiner Suite mehr Platz, Liebling.« Wovon redete sie, und was sollte das bedeuten? »Du brauchst doch zum Bumsen immer so viel Platz. Und mein Mann ist nicht da. Er betrügt mich wieder einmal.«
    Da kam er erst langsam mit. Dem dickeren der Japaner quollen die Augen fast aus dem Kopf, während der jüngere den Blick zum Boden gesenkt hatte und keine Miene verzog.
    »Das kann ich deinem Mann nicht verdenken«, ging Clay auf Kimberleys Flachserei ein. »Wenn ich mit dir verheiratet

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