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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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verwunden hatte.
    Sie verabschiedeten sich, und Andrew schlenderte mit ihr in die Grünanlage hinter der Haupttribüne. Auf einer elektronischen Anzeigentafel blinkten die Wettquoten, und zwischen den Blumenbeeten drängte sich eine bunte Menschenmenge oder saß auf Bänken. Alle möglichen Typen und Moderichtungen waren vertreten, und die Atmosphäre wirkte hier unbeschwert und fast still. Sie ließ sich treiben. Sie kamen zu einem Paar, das irgendwie abgeschnitten und für sich dasaß und nicht so ganz dazuzugehören schien. Als Andrew stehen blieb, erhob sich der Mann – mit dem wettergegerbten Gesicht eines Fischers, das jetzt überrascht dreinblickte. »Mr. Einarsson?« sagte Andrew fragend, und der jugendlich wirkende Mann nickte mit seinem blonden Kopf und zog die hellen Brauen hoch. »Ja, ich bin Gunnar Einarsson.«
    Er überragte Andrew, der die Vorstellung übernahm, und sie wurden mit der Frau bekannt gemacht, die noch blonder war, schlank, mit breiten Schultern und blitzblauen Augen. Sie hieß Malfour, und Brigid fand sich in einem angenehm plätschernden Gespräch über die Namen der Blumen, Astern, Geranien und Lobelien, die es auch in Island gab.
    Lachend quittierte Malfour Brigids Staunen. Es sei nicht das ganze Jahr eisig, wie viele Leute zu glauben schienen, sondern es gebe sogar im Winter Blumen und Gemüse, allerdings in Gewächshäusern, die mit vulkanischer Wärme geheizt würden. »Sogar im Winter, wenn die Sonne nicht vorhanden ist.«
    Andrew machte Gunnar Einarsson Komplimente über Eric the Red.
    »Wir haben ihn für das Derby gemeldet, schon im Februar«, erklärte der Hüne. »Aber unser Trainer will erst das heutige Rennen abwarten, bevor er sich definitiv für den Start am Sonnabend entscheidet. Sie wissen, daß Eric hier in Kentucky trainiert wurde. In Island haben wir keine Vollblüter, nur Ponys. Und ich bin Reeder und habe keinen Pferdeverstand.« Er lachte breit.
    Fünfundzwanzig Minuten bis zum Start.
    Auf dem Weg zu ihrer Loge nahm Brigid Andrews Arm und spürte seinen Ellbogen an ihrer Brust. Andrew war nicht nur ein Gentleman mit untadeligem Benehmen und Charme, sondern er schien aufrichtig und echt, so daß seine Manieren nicht aufgesetzt wirkten.
    Er stach von jener Sorte zigarrenkauender Männer mit aufdringlicher Eleganz und aufgedonnerten Frauen besonders ab, die ihr bereits im Hotel unangenehm aufgefallen waren. Die Rennplätze zogen diese Leute anscheinend an, hier wie in Europa, und sie mußte unwillkürlich an Papageien denken. Sie versperrten ihnen fast die ganze Treppe an der Tribüne, und Andrews Miene wurde abweisend. Sollte er doch ein Snob sein? Die Frauen unterhielten sich schrill, und zwei Männer drängten sich rücksichtslos zu ihren Logen.
    »Dealer's Choice«, kommentierte Andrew trocken, als wäre das eine ausreichende Erklärung für das Benehmen der Leute und für seine mitleidige Verachtung.
    Zwanzig Minuten bis zum Start.
    Als sie die Stufen zu ihrer Loge hinuntergingen, sah sie, daß Molly wieder da war. Im Gang stand ihnen ein großer, rotbärtiger Mann im Western-Look mit einem weißen Cowboyhut im Weg, neben ihm eine gutaussehende Frau von etwa Vierzig, ganz in Schwarz. Anscheinend war sie eine alte Freundin von Andrew und ebenso sicher hatte sie schon einiges – vielleicht sogar zu viel – getrunken.
    »Christine und ich«, erläuterte Andrew nach der Vorstellung, »kennen uns schon seit Jahren, als sie noch Christine Norvelle hieß und ihr hier in Louisville alle Männer zu Füßen lagen. Ich natürlich auch.«
    Das Kompliment quittierte Mrs. Rosser mit einem gutturalen Lachen, und dann sprach Andrew ihr sein Beileid aus.
    Das ernüchterte Christine, und sie umarmte Andrew dankbar. Brigid fühlte sich von den grauen Augen Owen Chalmers gemustert. Ein eindrucksvoller junger Mann, und nach allem, was man hörte, ein sehr guter Trainer. Christine sagte, sie sei sehr unschlüssig gewesen, ob sie heute zum Rennen kommen sollte, aber Owen hätte sie davon überzeugt, daß das Leben irgendwie weitergehen müsse.
    »Recht haben Sie, junge Frau«, dröhnte eine Stimme dazwischen, und Brigid erkannte Rachel Stoddard. »Sie stehen mir alle im Weg«, verkündete sie dann, und die Sonne ließ ihre weiße Haarkrone aufleuchten. Ihr Spazierstock mit dem goldenen Knauf, mit dem sie herumfuchtelte, wirkte eher wie ein Marschallstab denn als Gehhilfe. Hinter ihr stand ein riesiger Mann mit einem eckigen, massigen Gesicht, das Würde ausstrahlte. Er trug ein

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