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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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schauen, ob dieser inzwischen ausgeschlafen hatte.
    Als er zu den Stallungen schlurfte, bekam er einen erbitterten Wortwechsel zwischen zwei Jockeys, die noch ihre Rennfarben trugen und auf die Kantine zusteuerten, mit. Der vordere rannte fast, während der hintere ihn immer wieder am Blouson packte. »Wenn du mich nochmals ans Geländer drückst, dann fliegst du drüber!« Und der andere knurrte über die Schulter: »Weiß gar nicht, was du willst, die Rennleitung hat nicht auf Behinderung anerkannt.« Der hintere ballte die Fäuste: »Die Kamera hat es nicht eingefangen. Aber ich sag' dir, beim nächsten Mal tret' ich dir in die Eier!«
    Der vordere riß sich los.
    Bernie ging achselzuckend weiter. Das passiert jeden Tag, dachte er, es geht auf der Bahn rau zu und manchmal dreckig.
    Er bog um die Ecke der Stallung 27 und entdeckte Clay. Zusammen mit Miß Kimberley Cameron. Sie standen eng beisammen vor der wie eine Veranda überdachten, offenen Stallgasse, und neben ihnen reckte Hotspur den Kopf aus der Stalltür, der aufgewacht war.
    Miß Kimberley trug ein enges, dünnes Kleid mit verdammt wenig darunter und einen Hut mit schwingendem Rand. »Du kennst dich besser aus als ich, Clay, und weißt, daß alles riskant ist.« Sie schien ihn anzuflehen. »Die Verladung, die Morgenarbeit, und ganz besonders ein Rennen.«
    Während Bernie an die Box trat und so tat, als höre er nichts, antwortete Clay, angespannter als sonst an einem Renntag: »Ich weiß, Kimb, daß ein Vollblüter auf jede Aufregung anspricht, besonders wenn er in einer halben Stunde in der Startbox steht.«
    Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde energisch und ein wenig schmollend wie bei einem kleinen Mädchen. »Willst du damit sagen, daß du das Darlehen nicht nimmst?«
    »Jetzt ist es doch zu spät.«
    »Selbst wenn, du würdest ablehnen.«
    Clay lächelte verhalten und trat noch näher auf sie zu. »Ich werde dem Tierarzt ein bißchen Dope abschwätzen, und du kannst spritzen.« Er griff nach ihr, aber sie entwand sich ihm. »Nur so würde die Rennleitung das Pferd noch streichen, das weißt du ganz genau.«
    Ihre Miene versteinerte sich, und ihr Blick wurde eisig. »Geh zur Hölle, Clay Chalmers.«
    Als Bernie unauffällig in die Sattelkammer schlich, hörte er Clay sanft sagen: »Dabei wollte ich Hotspur vor Flüchen bewahren.«
    »Dummer Hund«, kam die Entgegnung. »Ich hoffe, du gewinnst heute. Damit Starbright dich am Sonnabend um siebzehn Längen schlägt.«
    Fast flüsternd antwortete Clay, mehr amüsiert als beleidigt: »Mir reicht heute der zweite Platz und am Sonnabend der erste.«
    Vom Rennplatz herüber hörte man die Musikkapelle und das Stimmengewirr der Zuschauer. In der Box redete Clay begütigend auf Hotspur ein. Was sollte man machen, einen sturen Kerl wie Clay konnte man nur lieben, dachte Bernie resignierend.
    Dreißig Minuten bis zum Start.
    Die Stimme aus dem Lautsprecher klang fast mechanisch, dachte Brigid Tyrone; sie war mit Andrew in einer – sehr eleganten und plüschbestückten – Lounge, zu der anscheinend nur die Clubmitglieder Zutritt hatten. Vor den geschnitzten Holztüren gab es einige Stehbars und genügend Trinker, um sich fast wie in Irland vorzukommen. Sie fühlte sich wohl hier, in einem breiten Sessel, mit dem zweiten Brandy-Soda des Tages in der weiß behandschuhten Hand, angetan in ihrer zweitbesten Garderobe und mit einem fast kecken Hut.
    Andrew unterhielt sich mit Harold Johnston, einem Mann mit einem Eulengesicht und melancholischen braunen Augen, der sich – trotz der Alkoholmengen, die er offensichtlich bereits intus hatte – bei jeder Erwähnung von Vincent Van sichtbar zusammenriss. Seine Frau auf dem Diwan daneben hätte bei jeder Art von Geselligkeit sitzen können: schlank, gepflegt, mittelalt und mit der Höflichkeit, die alles und nichts besagte. Sie sprach von ihren Gästen, die ihnen natürlich trotz des Unglücks willkommen waren. »Wo sollen die Ärmsten denn sonst hin?«
    Da sagte Andrew, der gespannter wirkte als während der drei Rennen, denen sie zugeschaut hatten: »Beim Umgang mit Vollblütern, Harold, gibt es keine Fahrlässigkeit, höchstens kriminelle.«
    Worauf Harold sein leeres Glas als Wink für den Kellner hob. »Sie können sich darauf verlassen, daß noch Köpfe rollen werden. Aber ich habe Wyatt Slingerland und der übrigen Presse gesagt, es sei kein Unfall gewesen.«
    Brigid hatte keinen Zweifel, daß Andrew den Verlust von Lord Randolph noch immer nicht

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