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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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schwammigen Körper in einen tiefen Sessel gepflanzt und vom Rheumatismus geplagt, führte Blake Raynolds sein Bourbonglas an die Lippen. »Man kann also mit Sicherheit davon ausgehen, daß es sich um Brandstiftung handelte, als Ablenkmanöver, damit das Pferd in dem Durcheinander gestohlen werden konnte. Es wäre also ein Pferdnapping, oder wie man das nennen könnte.«
    »Sehr gut, Herr Anwalt, eins rauf mit Mappe«, sagte Kimberley spöttisch und böse.
    Jason Arnold überging die Bemerkung und meinte in seinem präzisen Akzent der Neu-England-Staaten: »Nur ein Narr kann annehmen, daß wir das Pferd im Stall nicht als Doppelgänger erkennen. Es hat den richtigen Stern auf der Stirn, dafür haben sie gesorgt, und die gleichen Merkmale bis auf die eine weiße Fessel, dann noch die tätowierte Nummer, aber jeder, der mit Pferden zu tun hat, weiß, daß es keine zwei exakt gleichen Pferde gibt, auch wenn die Beschreibung im Pferderegister gleich lautet. Und dann ist da die Kastanie.«
    »Kastanie?« erkundigte sich Raynolds mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ach du meine Scheiße«, regte Kimberley sich auf und begann eine neue Runde im Wohnraum der Hotelsuite ihres Vaters, der immer noch nicht da war.
    »Kimberley, bitte, ich bin zu dieser unchristlichen Nachtstunde auf deine Bitte hin hergekommen. Wenn du also meinen juristischen Rat erwartest, und wenn Andrew kommt …«
    »Falls er jemals auftaucht …«
    »… mußt du meinen Laienverstand schon entschuldigen. Und erleuchten.« Blake hatte nichts für Pferde übrig und schon gar nichts für Rennen. Seiner Meinung nach war es ein ausgemachter Schwindel, fest in der Hand der Mafia, gleichgültig, wie edel und sportlich sich die Stützen des Turfs gebärde ten. Wenn er schon las, daß jährlich mehr als zehn Milliarden Dollar allein an den amerikanischen Wettschaltern den Besitzer wechselten und laut dem Justizministerium geschätzte weitere dreißig Milliarden durch illegale Buchmacher, konnte ihm keiner weismachen, das Wettgeschäft sei nicht manipuliert. Er hatte also keinen Sinn dafür, aber neugierig war er dennoch. »Also – Kastanie?«
    »Das sind kleine, unverwechselbare Hornauswüchse auf der Innenseite eines jeden Pferdebeins, knapp unterhalb des Knies und Sprunggelenks«, erklärte der Trainer, erleichtert, sich endlich an Tatsachen festhalten zu können. »Sie werden per Foto registriert und bilden wie Fingerabdrücke die einzig narrensichere Identifizierungshilfe. Keine zwei Kastanien sind gleich.«
    »Erstaunlich. Dann sollte das untergeschobene Ersatzpferd im Stall nur dafür sorgen, daß sie Zeit gewinnen.«
    »Und dafür sorgt Andrew auch noch auf hervorragende Weise«, schäumte Kimberley.
    »Damit sie Starbright irgendwohin transportieren konnten, ohne vorher Verdacht zu erregen«, pflichtete Jason Arnold bei.
    Ein kurzes Schweigen trat ein. Der mittelgroße junge Mann in dem Lederjackett und Rollkragenpullover mit der krummen Nase stand noch immer an der Balkontür mit dem Rücken zum Raum. Kimberley hatte ihn Blake lässig als Clay Chalmers vorgestellt, und Blake erinnerte sich vage an ihn bei der Siegerehrung nach dem Trial. Clay hatte sich bisher mit noch keinem Wort geäußert.
    Die Spannung wuchs stetig und wirkte bedrückend und aufgeladen wie eine Gewitterwolke. Blake bemühte sich, die Fakten abzuklären, ehe Andrew eintraf. »Sie sind also dafür, Jason, die Behörden zu verständigen …«
    »Wenigstens die Rennleitung, wenn schon nicht die Polizei. Mir scheint, wir verschwenden hier kostbare Zeit.«
    »Mr. Arnold«, erkundigte sich Kimberley trocken, »haben Sie Andrew gesagt, daß das Pferd ausgetauscht worden ist, als Sie ihn im Krankenhaus sprachen?«
    Das irritierte Jason Arnold. »Sie haben es mir doch ausdrücklich untersagt, Miß Kimberley.«
    Kimberley bestätigte das nicht einmal mit einem Nicken ihres wohlgeformten Kopfes, sondern sagte grimmig: »Wer das gemacht hat, konnte es nicht ohne Hilfe. Wir wissen nicht, welchem Komplott wir gegenüberstehen.« Sie trat zum Trainer, der auf einem Stuhl mit steifer Rückenlehne saß. »Und … wir wissen nicht, was sie Starbright antun, falls wir uns falsch verhalten.«
    »Erst recht ein Grund …«
    »Verdammt«, explodierte sie und zerrte am Gürtel ihres Kamelhaarmantels, »warum stellen Sie sich gegen mich? Wollen Sie bitte nichts anderes tun als abwarten, bis Andrew aufkreuzt! Er wird wissen, was zu tun ist.«
    Blake hatte Kimberley heranwachsen sehen, kannte ihren Vater

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