Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
Vom Netzwerk:
gut und hatte vor langer Zeit auch ihre Mutter gekannt. Sie stammte aus einer New Yorker Familie, die zu den oberen Zehntausend gehörte, und hatte nie so recht auf das Gestüt gepaßt. Mit Andrew sprang sie kühl und hochnäsig um, und ansonsten fühlte sie sich grenzenlos gelangweilt, doch hatte sie weder den Takt noch die Manieren besessen, ihre Einstellung zu kaschieren. Dann war sie von einem Pferd abgeworfen worden, vermutlich weil sie ein paar Drinks Gin zuviel intus hatte. Obwohl ihr so gut wie nichts passiert war, tyrannisierte sie von da an das gesamte Gestüt Blue Ridge, bis sie ihm eines Tages den Rücken wandte, worunter nicht nur Andrew litt, sondern noch mehr ihre vierjährige Tochter. Das Kind machte bisweilen einen verzogenen, eigensinnigen, häufig trotzigen und schmollenden Eindruck, wirkte manchmal grausam und konnte dann wieder unheimlich anhänglich, lieb und bezaubernd sein. Blake hatte immer gespürt, daß die Wurzel ihrer emotionalen Unsicherheit darin zu suchen war, daß sie von ihrer Mutter verlassen worden war. Deswegen hatte sie wohl auch unter einer tief greifenden Unzufriedenheit, ja einem Unglücklichsein gelitten, ohne sich darüber bewußt zu werden. Wann immer Sturmsignale aufzogen, blieb nur abzuwarten, ob sie sich in den Griff bekam oder unkontrolliert explodierte.
    »Kimberley«, sagte Blake begütigend, »würdest du deinem ältesten Freund gestatten, dir ein paar juristische Hinweise zu geben, selbst wenn ich mir damit noch mehr deinen Zorn zuziehen und dir gar Grund für deine Hysterie geben sollte?«
    »Ich bin nicht hysterisch, verdammt. Ich will nur nicht, daß irgendein Idiot etwas falsch macht und Starbrights Leben aufs Spiel setzt. Falls er nicht schon tot ist.«
    Da trat Chalmers einen Schritt auf sie zu, blieb dann aber stirnrunzelnd stehen.
    »Akzeptiert«, erwiderte Blake, »schon gut. Aber es gibt nun mal gewisse Vorschriften. Was beispielsweise die Versicherung betrifft.«
    »Scheiß auf die Versicherung. Das ist bloß Geld.«
    »Mir ist ohnehin noch nicht ganz klar, wie ich diesen Vorgang der Versicherung beibringen soll, Kimberley.«
    »Ist er nicht ein amüsantes Kerlchen, Clay? Mr. Raynolds tritt nicht als Familien-Anwalt auf, sondern als Hofnarr der Camerons!«
    Clay rührte sich nicht und schaute auch nicht viel anders drein, aber in seinem Blick lag eine sanfte Sorge.
    »Eine andere Erwägung«, fuhr Blake ungerührt fort, während er sich fragte, ob er mit seinen weiteren Ausführungen nicht doch auf Andrew warten sollte, »ist, daß ein Verbrechen geschehen ist. Schwerer Diebstahl, und wir wissen alle davon. Mir sind die Gesetze von Kentucky zwar nicht so präsent, aber in diesem Punkte dürften sie sich von denen anderer Staaten kaum unterscheiden. Ein Verbrechen zu verheimlichen, ist ein Vergehen.«
    Mit verletztem und doch aufrichtigem Ton fragte Kimberley: »Bist du auch gegen mich?«
    »Gegen dich? Es ist mein Job, deine Interessen nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten!« Und genau das gedachte er zu tun, ihr zuliebe und noch mehr Andrew zuliebe und dann notfalls auch gegen ihre Wünsche. Aber zum eigenen Schutz als Anwalt konnte er nicht gut einem Klienten helfen, das Gesetz zu brechen.
    »Hauptsache, du brauchst dich nicht von deinem fetten Hintern zu erheben«, gab Kimberly zurück. Sie ließ sich in einen Sessel plumpsen, und der Mantel öffnete sich. Anscheinend trug sie nichts darunter. Bisweilen mochte Blake es bedauern, keine Frau und keine Kinder zu haben; heute lag ihm eine solche Vorstellung sehr fern.
    »In der Renngeschichte gab es doch öfters schon Zwischenfälle mit untergeschobenen Pferden?« wandte er sich an den Trainer.
    »Das muß meiner Ansicht nach in Belmont gewesen sein, aber mir sind die Details entfallen.«
    »Die Pferde stammten aus Uruguay«, mischte Clay Chalmers sich in das Gespräch, stellte sich hinter Kimberleys Sessel und streichelte ihr über den Kopf. »Ein erstklassiges Rennpferd namens Cinzano war angeblich eingeschläfert worden, und man hatte die Versicherungssumme kassiert, Cinzano aber dann statt eines Kleppers namens Lebon starten lassen.« Die Stimme des jungen Mannes klang nüchtern, aber von verhaltenem Zorn erfüllt. »Der Wettschwindel, als der falsche Lebon siegte, wurde Cinzano-Coup genannt, und beteiligt war ein geachteter Veterinär.«
    Blake war beeindruckt. Allmählich bekam er Respekt vor dem Mann. »Betrugsmanöver wie diese und Intrigen gehören doch dazu, damit das Publikum seine

Weitere Kostenlose Bücher