Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
räusperte sich. »Die Frau war, ihrem Laptop nach zu urteilen, erstaunlich organisiert. Jan von der IT sagte, er hätte noch nie so einen aufgeräumten Computer gesehen. Nicht eine Einzeldatei. Alle Projekte, Themen oder dergleichen waren fein säuberlich in Ordner gegliedert. Dann sind wir auf ihren neuesten Roman gestoßen, den sie wohl unmittelbar nach Fertigstellung des Manuskriptes, das gerade in Buchform erschienen ist, angefangen hat. Sie kann daran bisher nur einige Wochen gearbeitet haben. Der Text wirkt noch sehr konfus. Einiges ist bereits detailgenau beschrieben, beispielsweise die Entführungen der jeweiligen Opfer. Anderes wieder ist mit Punkten und Klammern als Platzhaltern versehen. Und hierbei sind wir auf etwas gestoßen.« Er drehte einen Ausdruck um und schob das Blatt zu Falko hinüber. Es sah aus wie eine Manuskriptseite, ein Wort, das in Klammern stand, war darauf mit einem Textmarker hervorgehoben.
»Thronoi?«, las Falko.
»Ganz genau.« Timo tippte mit dem Finger darauf. »Wir wussten zunächst überhaupt nichts damit anzufangen, haben die weiteren Dateien durchgeackert. Bis dahin war das Internet noch ausgeschaltet. Nachdem wir soweit durchwaren, haben wir den Computer wieder an Jan zurückgegeben, damit er checken konnte, welche E-Mail-Accounts die Ganter hatte und sich dort einhacken konnte. Frag mich bloß nicht, was er genau gemacht hat. Aber dort war wohl ein Link, der immer wieder auftauchte, der jedoch mit einem Passwort geschützt war. Sarah kam drauf, dass er es einfach mal mit »Thronoi« versuchen sollte. Und dann brach hier echt die Hölle los.«
Timo sah die anderen einen Moment schweigend an, abwartend, ob einer von ihnen etwas dazu sagen wollte. Als dies nicht der Fall war, fuhr er in seinem Bericht fort und erzählte, dass sich plötzlich eine Seite öffnete, auf der eine nackte schwangere Frau, die an einen Sessel gefesselt war, vor laufender Kamera gewürgt wurde. Jan versuchte, so rasch wie möglich eine Aufnahme einzurichten, konnte jedoch nur die letzten Sekunden festhalten.
»Was ist danach geschehen?«
»Die Kamera wurde ausgeschaltet, die Verbindung gekappt«, sagte Timo. »Ich glaube, jeder von uns war starr vor Schreck. Der Einzige, der überhaupt reagiert hat, war Jan.«
»Wurde etwas gesprochen?«
Rolf Kramer sah in die Runde. »Nicht viel. Aber es hat gereicht. Er stammelte etwas davon, dass sie keine gute Mutter sei.« Er atmete tief ein und wieder aus. »Und dann sagte er noch …«, Rolfs Stimme stockte, »… dann sagte er Gute Nacht, Rebecca.«
»Rebecca? Er hat mit der Autorin gesprochen?«, fragte Falko fassungslos.
»Entweder das, oder die Schwangere hieß Rebecca. Aber ich glaube wirklich, dass er Rebecca Ganter gemeint hat. Er scheint nicht zu wissen, dass sie tot ist«, sagte Sarah.
»Konnte man sein Gesicht erkennen?«
»Nein, es waren nur ein Teil seiner Arme und seine Hände zu sehen. Ein schwarzer Pullover und ebenfalls schwarze Handschuhe.«
»Ist Jan am Ball, wenn er sich wieder melden sollte?«
»Allerdings«, antwortete Timo. »Er hat die Festplatte mit dem Link auf fünf verschiedene Rechner gezogen, um auf Nummer sicher zu gehen. Sobald der Link aktiviert wird, nehmen die Geräte alles auf.«
»Gut.« Falko überlegte einen Moment. »Gibt es irgendeine Möglichkeit, das Signal zurückzuverfolgen, so dass wir feststellen können, von wo gesendet wird?«
»Jan arbeitet daran.«
»In Ordnung. Und dieses Passwort, ›Thronoi‹, kann mir einer von euch sagen, was das zu bedeuten hat?«
»Ich hab’s gegoogelt und mich ein bisschen schlaugemacht. ›Thronoi‹ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie ›Der Erhabene‹. In manchen Auslegungen der Bibel taucht er als Schutzengel, in anderen wieder als Racheengel auf«, sagte Sarah.
Cornelsen rieb sich die Augen. »Racheengel«, echote er nachdenklich.
Alle sahen Cornelsen nur an, abwartend. »Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Timo schließlich.
»Ich werde noch mal Rafael Langer vernehmen«, antwortete Falko. »So, wie es jetzt scheint, war ich mit meiner Theorie die ganze Zeit auf dem Holzweg. Der Düsseldorfer Kollege und ich sind fest davon ausgegangen, dass Rafael Langer einen Komplizen hat und mit ihm gemeinsam für die Morde in Düsseldorf verantwortlich ist. Doch wie sich die Lage jetzt darstellt …«
»Was denkst du?«, fragte Sarah.
»Ich glaube, dass die einzige Komplizin des Mörders unsere tote Autorin Rebecca Ganter war. Er hat die Opfer
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