Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
ein. Sofort sprang die Mailbox an. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, legte er auf.
Sein Blick fiel auf den Rotwein, den er für den gemeinsamen Abend besorgt hatte. Er stand auf, öffnete die Flasche, füllte eines der bauchigen Gläser. Mit wenigen Schlucken hatte er es geleert und schenkte nach. Dann griff er das Glas, die Flasche und ging hinunter in den Keller. Es war ja niemand mehr da, auf den er Rücksicht nehmen musste. Also ging er in seinen Modellraum und schaltete das Licht an. Die Neonröhren flackerten. Er leerte abermals sein Glas, stellte es nebst Flasche auf das Regal und sah zum Tisch hinüber. Hier stand noch das Modell mit Rebecca Ganters Wohnzimmer. Ohne es wieder auseinanderzubauen, trug er es vorsichtig zu dem kleinen Sideboard hinüber. Er hatte zwar nur einen kurzen Blick auf die Frau werfen können, die vor laufender Videokamera gefoltert wurde, doch aus der Erinnerung wusste er, dass im Hintergrund eine Schrankwand zu erkennen gewesen war. Was die Größe des Raumes betraf, konnte er nur raten. Trotzdem griff er nach den Paneelelementen und baute ein Zimmer auf. In die Mitte stellte er einen Sessel, setzte eine Puppe darauf. Dahinter platzierte er in einigem Abstand etwas, das er als Ersatz für die Schrankwand nahm. Aus Holzstücken formte er etwas, das man mit viel Fantasie für ein Stativ halten konnte und positionierte dies unmittelbar vor der Puppe. Eine weitere Figur, die den Täter darstellen sollte, holte er aus dem Regal und lehnte sie von hinten an den Sessel an, um das Würgen bildlich nachzustellen. Kurz betrachtete er die Szene, griff dann nach der Flasche und schenkte sich ein weiteres Mal Wein nach. Hastig trank er aus. Er spürte, wie sich seine Gedanken verlangsamten und der Alkohol seine Wirkung tat. Falko starrte auf das Modell, doch in diesem Zustand konnte die ganze Prozedur kaum etwas bringen. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren, sich nicht einfühlen, nichts von dem abrufen, was sonst seinen Erfolg ausmachte. Seine Gedanken waren bei Heike. Als er noch mal nachfüllte, leerte er damit die Flasche vollends, kippte den Wein die Kehle hinunter und warf einen letzten Blick auf das Modell, bevor er zur Tür hinüberging und im Hinausgehen das Licht ausschaltete. Der Alkohol machte seine Schritte schwer. Leicht torkelnd bahnte er sich seinen Weg nach oben. Im Erdgeschoss angekommen, ließ er sich im Wohnzimmer auf die Couch fallen und schaltete den Fernseher an.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, konnte er sich nicht erinnern, auch nur einen Augenblick mitbekommen zu haben, welches Programm er eingeschaltet hatte. Er tastete nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher aus. Beim Aufsetzen meinte er, eine Tonne Stecknadeln in seinen Kopf gerammt zu bekommen. Er kniff die Augen zusammen und ließ sich zurück auf die Couch sinken. Einen zweiten Versuch startete er erst eine Stunde später, als er bei einem raschen Blick auf die Uhr erkannte, dass es bereits halb acht durch war. Benommen wankte er Richtung Bad, entkleidete sich und ließ das heiße Duschwasser über seinen Kopf rinnen. Minutenlang blieb er so stehen. Als er die Dusche verließ, hatte der heiße Wasserdampf sich auf Spiegel und Fliesen abgesetzt. Falko wischte mit der Hand ein Stückchen Spiegelfläche frei.
»Guten Morgen, du Idiot.« Dann begann er mechanisch, seine Morgentoilette zu erledigen. Nackt trat er aus dem Bad und ging zu seinem Kleiderschrank, nahm sich eine frische Jeans und ein blaues Hemd heraus, zog sich an und schlurfte schließlich in die Küche. Er schaltete die Kaffeemaschine ein, die er Heike geschenkt hatte und mit der portionsweise Kaffee zubereitet werden konnte. Im Stehen trank er eine Tasse. Dann griff er sich sein Handy, Geldbeutel und seine Schlüssel und machte sich auf den Weg ins Präsidium.
Er war der Letzte aus dem Team, der eintraf. Die anderen hatten sich im Büro von Timo Breitenbach versammelt.
»Guten Morgen zusammen!«
»Falko! Mensch, bist du krank? Du siehst nicht gut aus.«
Cornelsen winkte ab. »Alles in Ordnung. Und? Hat sich schon etwas Neues ergeben?«
»Bisher nicht.«
»Ich habe gestern noch mit Harald Kunst telefoniert. Sie haben sich noch mal alle Fahrzeuge vorgenommen, die zum Zeitpunkt von Kerstin Sommers Verschwinden ebenfalls auf dem Parkplatz waren bzw. danach das Gelände mit dem Pkw verlassen haben. Einen Elektriker und zwei Brüder werden die Kollegen genauer ansehen.«
»Und wie machen wir weiter?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher