Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
daraufhin als König Edward IV. den Thron. Frieden stellt sich ein, der Rosenkrieg scheint zugunsten der Yorks beendet. Hier lernen wir nun den Patienten kennen.
Richard ist – zu Therapiebeginn – ein angesehener Königsbruder am Hofe. Er gehört mit seinem um drei Jahre älteren Bruder George, dem Herzog von Clarence, zum königlichen Clan. Sein Bruder, der König, ist zwar erst 40 Jahre, doch kränklich und siech. Als Thronfolger wird nach englischem Recht dessen 13-jähriger Sohn Eduard folgen, zweiter in der Erbfolge wäre dessen jüngerer Bruder, der 11-jährige Richard. George wird deren Vormund, falls der König vor der Volljährigkeit seiner beiden Söhne stirbt. Alles geklärt, alles in bester Ordnung. Eine problemlose Zeit setzt ein, geprägt durch vergnügte Feste und rauschende Bälle. Unser Patient kann das alles durchaus wertschätzen: »Nun ward der Winter unsers Missvergnügens glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks; die Wolken all, die unser Haus bedräut, sind in des Weltmeers tiefem Schoß begraben. Nun zieren unsre Brauen Siegeskränze, die schart’gen Waffen hängen als Trophä’n; aus rauhem Feldlärm wurden muntre Feste, aus furchtbar’n Märschen holde Tanzmusiken. Der grimm’ge Krieg hat seine Stirn entrunzelt, und statt zu reiten das geharn’schte Roß, um droh’nder Gegner Seelen zu erschrecken, hüpft er behend’ in einer Dame Zimmer nach üppigem Gefallen einer Laute.«
Aber Richard entdeckt in sich eine Unzufriedenheit, kommt zur Erkenntnis, dass ihm der Friede nichts gibt. Er droht in die Bedeutungslosigkeit der höfischen Lauheit zu versinken. Krieg und Intrige gehen ihm ab, denn da konnte er einst seine Intelligenz und seinen Wagemut beweisen. Wie er da geglänzt hat! Seinem Psychotherapeuten gegenüber ist Richard ganz offen: »Doch ich, zu Possenspielen nicht gemacht, noch um zu buhlen mit verliebten Spiegeln; ich, roh geprägt, entblößt von Liebesmajestät, vor leicht sich dreh’nden Nymphen mich zu brüsten; ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt, von der Natur um Bildung falsch betrogen, entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt in diese Welt des Atmens, halb kaum fertig gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend, dass Hunde bellen, hink’ ich wo vorbei.« Es zeigen sich – so eine erste Analyse – eine erhebliche Selbstwertproblematik und eine beachtliche Körperschemastörung. Der Therapeut weiß natürlich, dass ein 30-jähriger Mann, der von der Frauenwelt kein positives Feedback bekommt, in der Gefahr ist, wirklich in eine schwere Depression abzurutschen. Der Triebstau ist zudem gefährlich, das funktioniert ja bekanntlich wie bei einem Dampfkessel. Unser Patient leidet an einem Minderwertigkeitskomplex.
Wie um das zu bestätigen, fährt Richard fort: »Ich nun, in dieser schlaffen Friedenszeit, weiß keine Lust, die Zeit mir zu vertreiben, als meinen Schatten in der Sonne spähn und meine eigne Missgestalt erörtern; und darum, weil ich nicht als ein Verliebter kann kürzen diese fein beredten Tage, bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden und Feind den eitlen Freuden dieser Tage.« Da lächelt der einfühlsame Therapeut gütig und vielleicht auch ein wenig mitleidig: »Herr York! Das Böse? Aber das gibt es doch gar nicht mehr … Hören Sie auf, sich selbst abzuwerten und negativ zu attribuieren. Davon haben Sie auch nichts. Sie sind okay! Ich übrigens auch. Es ist gut, dass es Sie gibt. Spüren Sie in sich hinein, was so Ihre Bedürfnisse sind. Ich nehme an Ihnen den Wunsch wahr, beachtet zu werden. Das ist okay! Jeder Mensch möchte beachtet werden. Sie erhalten offensichtlich zu wenig Beachtung. Wie können Sie zu mehr Beachtung kommen?« Der Therapeut hat sich bei dieser flammenden Rede aufgesetzt und dem Patienten tief in die Augen geschaut. Es ist schon wichtig, dieses negative Selbstbild zu korrigieren und die Selbstabwertung zu beenden. Wo hat der Patient das überhaupt her? Da müsste man noch genauer in der Kindheit nachsehen. Richard hört dem Therapeuten ruhig und aufmerksam zu. Die Meinung des Therapeuten ist ihm zwar immer wichtig gewesen, aber die jetzt ausgesprochenen Worte erachtet er als geradezu wegweisend! Richard dankt dem Therapeuten für die inspirierende Analyse seines Seelenzustands und beendet die Therapie.
Richards Bedürfnisse sind ihm seit der letzten Therapiestunde sonnenklar: der Thron, die Macht und eine fesche Königin an seiner Seite. Des Königs Tage sind gezählt, nur die zwei unmündigen Teenager und
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