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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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richtig, und die Leute liegen einem zu Füßen. Aber manchmal schwebt man – traumwandlerisch und in großer Leichtigkeit – auch auf einen Abgrund zu, und nur eine große, schmerzhafte Willensanstrengung, die einer fürchterlich trockenen Vernunftentscheidung folgt, kann uns dann vor dem Schlimmsten bewahren. Das Schweben – das in den Himmel und das in den Abgrund – fühlt sich interessanterweise gleich an. Bauchgefühle haben nämlich keinen Orientierungssinn.
    Woody Allen sagte einmal scherzhaft: »Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.« Das trifft zu. Der Mensch ist in sich gespalten, uneins, widersprüchlich. Und unser Kompass liegt definitiv nicht im Bauch.
    Die Bauchgefühle des Leutnants Anton Hofmiller
    Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig bringt es auf den Punkt. In seinem Roman »Ungeduld des Herzens« geht es um den Kompass im Bauch, der in die Irre führt. Der Schauplatz ist ein ungarisches Garnisonsstädtchen im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der junge und harmlose Leutnant Anton Hofmiller ist dort stationiert und erhält eine Einladung in das Schloss des ungarischen Magnaten Lajos von Kekesfalva, wo er die 17-jährige gelähmte Tochter des Hauses, Edith, kennenlernt. Nettes Geplauder mit dem koketten Töchterchen und ihrer feschen Kusine zum einen, das eine oder andere Gläschen Tokajer zum anderen – und schon passieren Fehler. Hofmiller erkennt nicht die peinlich verborgene Behinderung des Fräuleins Kekesfalva und begeht einen schmerzhaften Fauxpas, indem er sie in leicht angetrunkenem Zustand zum Tanz auffordert. Ein emotionaler Super-GAU des Teenagers ist die Folge. Erschrocken wird er des Raumes verwiesen. Nun erst erfährt er die bittere Wahrheit von der Kusine und schleicht sich heimlich und voller Schuldgefühle aus dem Haus, ohne sich zu verabschieden.
    In den folgenden Tagen überlegt Hofmiller – den schlechten Nachgeschmack im Mund –, wie er sein Unwohlsein reduzieren, sein »schlechtes Gewissen« erleichtern könne. Er beschließt, nochmals hinzugehen und den Schaden wiedergutzumachen. Dann würde er sich besser fühlen. So sucht er, selbst bettelarm, die überaus wohlhabende Familie noch einmal auf und wird freundlich empfangen. Er ist erleichtert, und nach einem netten Abend verspricht er wiederzukommen. So häufen sich seine Besuche, bei denen es sich ergibt, dass er immer häufiger allein auf Edith, die Tochter des Hauses, trifft. Denn das ganze Leben in dem Schloss kreist ungesund um das lahme Mädchen. Hofmiller ist aber geblendet vom erhebenden Gefühl, andere Menschen erfreuen zu können. Edith strahlt, die Kusine ist begeistert und der millionenschwere Vater zutiefst dankbar. »Nun aber war das Unerwartete geschehen, und staunend blickte ich mit aufgeschreckter Neugier mich selber an. Wie? Auch ich mittelmäßiger junger Mensch hatte Macht über andere Menschen? Ich, der keine fünfzig Kronen ehrlich meinen Besitz nennen konnte, vermochte einem reichen Manne mehr Glück zu schenken als alle seine Freunde? Ich, Leutnant Hofmiller, konnte jemandem helfen, ich konnte jemanden trösten? Wenn ich mich einen Abend, zwei Abende zu einem lahmen, verstörten Mädchen setzte und mit ihr plauderte, wurden ihre Augen hell, ihre Wangen atmeten Leben, und ein ganzes verdüstertes Haus ward licht durch meine Gegenwart?«
    Der k.u.k. Leutnant Anton Hofmiller fühlt sich wohl, fühlt sich als Wohltäter, als ein guter Mensch. Gleichzeitig wird er in einer Weise materiell verwöhnt, wie er es vorher noch nicht erlebt hat. Er ist rundum zufrieden mit der Situation, weil er sich endlich selber einmal etwas Gutes tut, das noch dazu für die anderen auch passt, und seine Befindlichkeit dadurch deutlich gesteigert wird, nach dem Motto: »Ich bin o.k., du bist o.k.« Sein Bauchgefühl sagt ihm: »Ich bin wahrhaftig ein guter Mensch. Wie leicht fällt es mir, gut zu sein.« Dieses Gefühl wird immer intensiver und bald scheint es, dass Hofmiller die gesamte Bedeutung seiner Existenz aus seinem Mitgefühl und den daraus resultierenden Reaktionen bezieht. Er lebt und definiert sich nun fast einzig durch sein »selbstloses« Mitleid für eine behinderte Frau und die Dankbarkeit, die sie, ihre Kusine und ihr Vater ihm für seine Freundlichkeit entgegenbringen.
    Das gelähmte Mädchen verliebt sich bald in

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