Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
Bauchgefühl – selbst wenn es sich, wie im Fall des Mitleids, um ein positives Gefühl handelt – ein schlechter Berater ist. Er hat definitiv die Kontrolle über sein Leben bzw. über seine emotionalen Beziehungen verloren. Hofmiller kann seine Gefühle schwer wahrnehmen und noch schwerer deuten. Er tut sich daher schwer, unerwünschte Folgen hintanzuhalten, weil er seinen gefühlsgetriebenen Handlungen ausgeliefert ist. Instinktgetriebene Bauchmenschen wie unser Offizier können aber mitunter schweres Unglück – in diesem Fall einen Suizid – verursachen. Hofmiller hätte von einer guten Psychotherapie profitiert, in der er das Wahrnehmen und vernünftige Hinterfragen seiner Emotionen gelernt hätte. Auf der anderen Seite sind die immer vernünftigen Kopfmenschen auch nicht so prickelnd, und eine Welt voll von diesen Typen wäre grau und kalt. Da muss es noch etwas dazwischen geben! Gibt es: In der Psychotherapie ist es hilfreich, mit leicht verständlichen und emotional zugänglichen Begriffen zu operieren. Das ist wichtig, um komplexe innerpsychische Sachverhalte anschaulich zu beschreiben und die vom Klienten gewünschten Verhaltensänderungen zu ermöglichen. In diesem Buch soll aus diesem Grund auf die organischen Termini Bauch, Kopf und Herz zurückgegriffen werden, ohne damit den Anspruch auf eine umfassende Anthropologie zu erheben.
Der Bauch steht bildhaft für Emotionen, Leidenschaften und Gefühle, in der Freudschen Diktion wäre das in etwa das Es. Der Bauch ist weder gut noch schlecht, er urteilt auch nicht, ist einfach eine physiologische Realität. Menschen, die bauchgetrieben agieren, sind impulsiv, leicht manipulierbar, von oberflächlicher Gefühlsduselei, beeindruckbar und unbeständig, aber auch authentisch und echt. Der Bauch für sich genommen ist immer egozentrisch: er kann weder verzeihen noch lieben, noch verzichten, kann nicht treu sein, keine Schuld einsehen und sich nicht entschuldigen. Ihm ist das Morgen egal, er denkt kurzfristig, nicht langfristig. Das ist weder gut noch schlecht: Denken, Analysieren, Beurteilen, Verzeihen, Lieben und Verzichten sind definitiv nicht seine Aufgaben. Der Bauch kann – richtig eingesetzt – sehr nützlich sein: Er erleichtert oft eine authentische menschliche Begegnung. Kommunikation und Empathie sind ohne Bauch sehr erschwert. Im Film »A Beautiful Mind« tut sich Russell Crowe als John Nash sehr schwer, sich in die studentische Gemeinschaft an der Princeton-Universität zu integrieren, weil er sich ausschließlich auf der Ebene des Kopfes bewegt. Leuten ohne Bauch – emotionslos, kalt, berechnend, ohne Einfühlungsvermögen – fehlt es letztlich an Menschlichkeit. Sie sind oft nur eingeschränkt beziehungsfähig.
Der Kopf steht für die Vernunft. Er sucht nach der Wahrheit und versucht, die Wirklichkeit zu erklären, Probleme zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten. Während Hedonismus das Ziel des Bauches ist, ist Nützlichkeit die Maxime des Kopfes. Der Kopf schwebt aber nicht im luftleeren Raum, sondern sitzt dem Herzen auf und ist von dessen Vorgaben abhängig. Was das Herz nicht erkennen will, wird der Kopf nie erkennen, auch wenn es noch so offensichtlich ist. Wenn das Herz zu schwach ist, dann treffen die Wellen des Bauches ungebremst auf den Kopf und diktieren dessen intellektuellen Output. Der Kopf kann bei lauterer Absicht die Wirklichkeit wunderbar erfassen – und bei Unwillen die Realität im Sinne eines intellektuellen Überbaus komplett umdeuten. Der Kopf sollte – bei entsprechender Regulierung durch das Herz – die Behauptungen, das Begehren und die Bedürfnisse des Bauches vernünftig prüfen. Das Leben prägt das Denken: Wie man lebt, so denkt man nach einer Weile auch. Der Kopf konstruiert bei Bedarf kunstvolle Selbstrechtfertigungen für die absurdesten Missstände. Des Leutnant Hofmillers Kopf hat schon gearbeitet – aber ganz im Dienste des selbstzufriedenen Bauches, den das Herz selbstgefällig gewähren ließ.
Choleriker und Sanguiniker sind die Temperamente, die am ehesten dazu neigen, aus dem Bauch heraus zu entscheiden und zu leben. Phlegmatiker und Melancholiker hingegen neigen eher zum Kopfmenschen. Bei denen besteht dann die Gefahr, dass das Prinzip über allem steht. Hier kann es zu einem herzlosen »Vorschrift ist Vorschrift« kommen oder das in den Behörden vorherrschende »Da könnte ja jeder kommen …«.
Zwischen Bauch und Kopf liegt das Herz, die Entscheidungsmitte des Menschen. Es
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