Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
Vom Netzwerk:
Psychoanalytiker, alle menschlichen Regungen und Handlungen mechanistisch-materiell erklären zu können – allerdings erst im Nachhinein.
    Das Es ist bei Freud das natürlich Gegebene wie Konstitution, Vererbung, Geschlechtszugehörigkeit, Triebe und archaische Bilder. Es ist das Auffangbecken alles Verdrängten, das weiterhin aus dem Es heraus wirkt und psychisches Geschehen beeinflusst. Das Es ist für Analytiker ein Konglomerat von Triebregungen, Anlagen, Wünschen, Gefühlen, Strebungen ohne Logik, ohne Moral, ohne Sinn für Ordnung und Maß, ohne Rücksicht sogar auf die Selbsterhaltung, einzig dem Bestreben nach Lustgewinn und Unlustvermeidung verpflichtet. Freud glaubt, dass der Mensch bei der Geburt ganz Es ist und dass sich die beiden Ich-Instanzen erst im Laufe der Entwicklung herausbilden. Das Es-Konzept ist mit dem hier dargelegten »Bauch«-Konzept ident.
    Das Über-Ich hingegen ist bei Freud eine kontrollierende, mahnende und strafende Instanz. Das Über-Ich repräsentiert in der Psychoanalyse die Verinnerlichung von Normen und Werten der Gesellschaft, die vorwiegend durch die elterliche Erziehung vermittelt werden. Also sind im Freudschen Über-Ich hauptsächlich fremde Ideen angesammelt, die Eltern und Gesellschaft dort deponiert haben. Von eigenständigem Denken ist da nicht die Rede. Wie Sie vielleicht merken, ist das Über-Ich etwas recht Unsympathisches, eine Art Spielverderber, und wenn man es sich aussuchen könnte, würde man gern darauf verzichten. Insgesamt ist der »Kopf«, wie er in diesem Buch Verwendung findet, im Gegensatz dazu zum Vernunftgebrauch fähig, zum Reflektieren der fremden Ideen und vor allem dazu, zu neuen, eigenständigen Erkenntnissen zu kommen. Nach klassischem Verständnis wohnt das Gewissen (eine Funktion des Herzens im organischen Modell) dem Menschen inne und stellt im Gegensatz zum Freudschen Modell des Über-Ichs ein natürliches Gespür für Gut und Böse dar.
    Das Ich schließlich ist bei Sigmund Freud die »Rindenschicht des Es«. Es repräsentiert also jene psychischen Bereiche, die zwischen dem Es und der Außenwelt (der Realität, der Gesellschaft) stehen. Es sind dies die Sinneswahrnehmung, die Motorik und alle bewussten Denk- und Willensvollzüge. Im Gegensatz zum Es, das dem Lustprinzip verpflichtet ist, hat das Ich eine vermittelnde Funktion und untersteht dem Realitätsprinzip. Ihm kommt auch die Aufgabe der Selbsterhaltung zu. Es ist zwischen den beiden fordernden Instanzen – der Moral des Über-Ichs und dem Lustprinzip des Es – eingeklemmt und muss den Ausgleich zwischen diesen konkurrierenden Kräften suchen. Das Ich regiert bei Freud nicht, es reagiert. Und seine Reaktion ist mathematisch-physikalisch berechenbar. Nach dem oben beschriebenen organischen Modell hingegen ist das Herz der Sitz der Freiheit, die Entscheidungsmitte des Menschen.
FALL 32: Nach drei Jahren Psychoanalyse in Wien – klassisch, dreimal wöchentlich – kommt der 23-jährige Student Klaus G. in die psychiatrische Praxis. Sein Problem ist eine Pornographiesucht im Internet. G. verbringt unfreiwillig bis zu vier Stunden pro Tag vor dem Computer und frönt seiner Sucht. Er will das nicht, tut es aber trotzdem. Sein Analytiker habe anfangs gemeint, das werde sich mit der psychosexuellen Nachreifung, die die Analyse zur Folge habe, legen. Leider legte es sich nicht. Vielleicht ist Klaus G. ja nicht genug nachgereift. Und drei Jahre sind natürlich für eine Analyse auch nicht viel. Aber Herr G. wollte von der Sucht loskommen. Das war sein Auftrag an den Therapeuten, und den darf sich der Patient normalerweise selbst aussuchen. Der Analytiker interpretierte das als Widerstand. Aber G. insistierte. Das nun ging dem Analytiker zu weit: Er solle endlich sein Über-Ich in Frage stellen. Was sei denn so schlecht an Pornographie? Was sei das überhaupt für ein verstaubter religiöser Abwehrmechanismus, dass alles Sexuelle gleich tabu sei? Der Student fühlte sich ins Eck gedrängt. Immerhin konnte er schlagkräftige Argumente dafür nennen, dass nicht alles Sexuelle für ihn tabu sei – schließlich verkehre er dreimal pro Woche mit seiner Freundin, habe darüber hinaus immer wieder anonyme Außenbeziehungen, und auch sonst gelte er nicht als extrem verklemmt. Er sei auch gar nicht religiös und habe kein moralisches Problem mit Pornographie. Er wolle nur einfach die vier Stunden pro Tag anders nutzen, als sinnlos vor dem Computer zu hocken und wichtige Termine zu versäumen.

Weitere Kostenlose Bücher