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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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Gedankenverloren blieb er an der Türe stehen und stellte sich die sonderbare Frage: »Muss ich denn sagen, wer es getan hat?« Klar, der Bauch will Unlust vermeiden. Das ist sein Job! »Die Frage war sonderbar, weil er plötzlich, im selben Moment fühlte, dass es ihm nicht nur unmöglich war, es nicht zu sagen, sondern auch, diesen Augenblick aufzuschieben, und sei es nur für noch so kurze Zeit.« Der Kopf, vom Herz gestärkt, widerspricht der Logik des Bauches. »Noch wusste er nicht, warum es ihm unmöglich war; er fühlte es nur, und dieses qualvolle Bewusstsein der eigenen Ohnmacht vor einer Notwendigkeit drückte ihn fast zu Boden.« Der Kampf des Herzens gegen das Lustprinzip des Bauches um die innere Vorherrschaft wird unerträglich. So einen kräfteraubenden inneren Konflikt kann man auch jahrelang in sich herumtragen. Das Ringen um die Aufdeckung einer Verdrängung kann zermürben. »Um nicht länger überlegen und sich quälen zu müssen, stieß er die Türe auf.« Endlich: Das Herz hat sich gegen den Bauch und dessen Schmerzverhinderungspolitik durchgesetzt.
    Um das peinvolle Thema einzuleiten, verwickelt er seine Geliebte in ein weitschweifiges Gespräch. Letztlich macht er eine zarte Andeutung, und die liebende Frau versteht. Sie ist entsetzt und versucht, seine Tat zu entschuldigen: Er habe aus der Not heraus, aus Hunger und bitterer Armut so handeln müssen. Das lässt er nicht zu: »Sonja, ich habe ein böses Herz, merk dir das, das erklärt vieles. Ich bin ja auch darum gekommen, weil ich böse bin. Es gibt Menschen, die nicht gekommen wären. Ich aber bin ein Feigling und ein … Schuft!« Er will schonungslos beichten. Will ihr, der geliebten Frau, die Wunde seiner Bosheit zeigen. Es tut dem Herzen gut, wenn seine Wunde an die frische Luft kommt – erst dann kann sie heilen. Und das Letzte, was ein Mensch in dieser Situation braucht, ist jemand, der seine Schuld bagatellisiert und damit die Verdrängung verlängert.
    In den nächsten Tagen tobt es in seinem Kopf: Schuld verdrängen? Schuld bekennen? Ein depressiver religiöser Fanatiker bezichtigt sich des Verbrechens und entlastet damit Raskolnikow. Dennoch, zwölf Tage nach der Tat kommt es zum Durchbruch des Herzens. »Plötzlich erinnerte er sich an Sonjas Worte: ›Geh, stell dich auf eine Kreuzung, verneige dich vor allen Menschen, küsse die Erde, weil du dich auch an ihr versündigt hast, und sage laut vor der ganzen Welt: ›Ich bin ein Mörder!‹ Aber als er sich an diese Worte erinnerte, begann er am ganzen Leib zu zittern. Und so schwer hatte auf ihm die ausweglose Pein und Unruhe gelastet, dass er sich der Möglichkeit dieses ungebrochenen, neuen, vollen Gefühls rückhaltlos überließ. Es kam wie ein Anfall plötzlich über ihn: Als Funken war es in seiner Seele aufgeglommen, und plötzlich schlugen die Flammen über ihm zusammen. Mit einem Mal löste sich alles in seinem Inneren, und die Tränen strömten unaufhaltsam. Da, wo er stand, stürzte er zu Boden … Er kniete mitten auf dem Platz nieder, verneigte sich bis zur Erde, küsste die schmutzige Erde inbrünstig und voller Glück. Er erhob sich und verneigte sich abermals.« Der Bauch gibt damit dem Drängen des Herzens nach und schwenkt ein – der innere Konflikt ist beendet, die Blockade gelöst, Glücksgefühle aus Erleichterung die Folge.
    Raskolnikow stellt sich der Polizei. Dort macht man es ihm nicht einfach, weil man in der Zwischenzeit von seiner Unschuld überzeugt ist. Aber er verschafft sich schließlich Gehör. Beim Gerichtsverfahren erhärtet er seine Aussage, »ohne die Umstände zu verwirren oder zu seinen Gunsten umzudeuten«. Er wird zu acht Jahren Zwangsarbeit zweiter Klasse in Sibirien verurteilt. Sonja geht mit ihm, fast gegen seinen Willen. Mit ihrer Hilfe kann Rodion Romanowitsch Raskolnikow schließlich die Zeit als Sühne für seine Taten und zur Läuterung nutzen. Der Roman schließt mit den Worten: »Hier beginnt eine neue Geschichte, die Geschichte der allmählichen Erneuerung eines Menschen, die Geschichte seiner allmählichen Wiedergeburt, des allmählichen Übergangs aus einer Welt in eine andere, der Entdeckung einer neuen, bisher gänzlich unbekannten Wirklichkeit.« Die »allmähliche Erneuerung eines Menschen« beginnt im Herzen. Kopf und Bauch richten sich mit der Zeit danach aus. Tatsächlich ist für Fehlerlose, die ihre Schuld verdrängen müssen, die Entdeckung von Selbsterkenntnis, Bekenntnis und Buße eine neue Welt, die eine

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