Selbs Justiz
von der bewirtschafteten Terrasse des Vereinshauses zu den Plätzen führte. Wir hatten den Parkplatz im Blick.
»Bist du aufgeregt?« fragte sie mich. Auf der Fahrt hatte sie nichts weiter wissen wollen. Jetzt fragte sie nur aus Anteilnahme an mir.
»Ja. Vielleicht sollte ich mit dem Arbeiten aufhören. Mich nehmen die Fälle mehr mit als früher. Hier wird’s dadurch schwer, daß ich den Hauptverdächtigen ganz sympathisch finde. Du wirst ihn ja gleich kennenlernen. Ich denke, Mischkey wird dir gefallen.«
»Und die Chefsekretärin?«
Spürte sie, daß Frau Buchendorff nicht nur eine Statistin des Verdachts war?
»Die find ich auch sympathisch.«
Wir saßen nicht gut auf den Stufen. Wer bis fünf gespielt hatte, ging jetzt auf die Terrasse, und die Nachfolger kamen aus den Umkleideräumen und drängelten die Treppe hinab.
»Fährt dein Verdächtiger ein grünes Kabriolett?«
Als auch für mich der Blick frei war, sah ich, daß Mischkey und Frau Buchendorff gerade vorgefahren waren. Er sprang aus dem Wagen, lief um ihn herum und riß ihr mit tiefer Verbeugung den Schlag auf. Sie stieg lachend aus und gab ihm einen Kuß. Ein schönes, beschwingtes, glückliches Paar.
Frau Buchendorff sah uns, als sie am Fuß der Treppe waren. Sie winkte mit der Rechten und gab Peter mit der Linken einen auffordernden Stups. Auch er hob begrüßend den Arm – da erkannte er mich, und seine Bewegung gefror, und sein Gesicht erstarrte. Für einen Moment hörte die Welt auf, sich zu drehen, und die Tennisbälle standen in der Luft, und es war ganz still.
Dann lief der Film wieder an, und die beiden standen bei uns, und wir gaben uns die Hand, und ich hörte Frau Buchendorff sagen: »Mein Freund, Peter Mischkey, und das ist Herr Selb, von dem ich dir schon erzählt habe.« Ich sagte die erforderlichen Vorstellungsformeln.
Mischkey begrüßte mich, als sähen wir uns zum erstenmal. Er spielte die Rolle gefaßt und gekonnt, mit den passenden Gesten und dem richtigen Lächeln. Aber es war die falsche Rolle, und fast tat es mir leid, daß er sie mit solcher Bravour spielte, und hätte ich mir statt dessen das richtige »Herr Selb? Herr Selk? Ein Mann mit vielen Gesichtern?« gewünscht.
Wir gingen zum Platzwart. Platz 8 war auf den Namen Buchendorff reserviert; der Platzwart wies ihn uns kurzangebunden und unwillig zu, in einen Streit mit einem älteren Ehepaar verwickelt, das darauf bestand, einen Platz vorbestellt zu haben. »Schauen Sie doch bitte selbst, die Plätze sind alle vergeben, und Ihr Name ist nicht auf der Liste.« Er schwenkte das Terminal so, daß sie es sehen konnten. »Das lasse ich nicht mit mir machen«, sagte der Mann, »ich habe den Platz schon vor einer Woche reserviert.« Die Frau hatte schon aufgegeben. »Ach, laß doch, Kurt. Vielleicht hast du dich mal wieder getäuscht.«
Mischkey und ich tauschten einen kurzen Blick. Er machte ein uninteressiertes Gesicht, aber seine Augen sagten mir, daß er ausgespielt hatte.
Das Match, das wir uns lieferten, gehörte zu den Spielen in meinem Leben, die ich nicht vergessen werde. Es war, als wollten Mischkey und ich nachholen, was zuvor an offenem Kampf gefehlt hatte. Ich spielte über meine Kräfte, aber Babs und ich verloren nach Strich und Faden.
Frau Buchendorff war fröhlich. »Ich habe einen Trostpreis für Sie, Herr Selb. Wie wär’s mit einer Flasche Champagner auf der Terrasse?«
Sie war die einzige, die das Spiel unbefangen genossen hatte, und hielt mit der Bewunderung für ihren Partner und ihre Gegner nicht hinterm Berg. »Ich hab dich gar nicht wiedererkannt, Peter. Dir geht’s gut heute, nicht?«
Mischkey versuchte zu strahlen. Er und ich sagten nicht viel beim Champagner. Die beiden Frauen hielten das Gespräch in Gang. Babs sagte: »Eigentlich war es kein Doppel. Wenn ich nicht schon so alt wäre, würde ich hoffen, daß ihr beiden Männer um mich gespielt habt. Aber so müssen Sie die Umworbene sein, Frau Buchendorff.« Und dann ging es zwischen den beiden Frauen um Alter und Jugend, Männer und Liebhaber, und wenn Frau Buchendorff eine frivole Bemerkung machte, gab sie dem stummen Mischkey gleich einen Kuß.
In der Umkleidekabine war ich mit Mischkey allein.
»Wie geht das jetzt weiter?« fragte er.
»Ich werde den RCW meinen Bericht vorlegen. Was die dann machen, weiß ich nicht.«
»Können Sie Judith draußen lassen?«
»Das ist nicht so einfach. Sie war ja in gewisser Weise der Köder. Wie soll ich sonst erklären, daß ich Ihnen
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