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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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auf die Schliche gekommen bin?«
    »Müssen Sie schreiben, wie Sie mir auf die Schliche gekommen sind? Genügt’s nicht, wenn ich einfach zugebe, daß ich das MBI -System geknackt habe?«
    Ich dachte nach. Ich glaubte nicht, daß er mich reinlegen wollte, vor allem sah ich nicht, wie er mich reinlegen konnte. »Ich will’s versuchen. Aber machen Sie mir keine krummen Touren. Sonst muß ich den anderen Bericht noch nachreichen.«
    Auf dem Parkplatz trafen wir die beiden Frauen. Sah ich Frau Buchendorff heute zum letztenmal? Der Gedanke versetzte mir einen Stich.
    »Bis bald?« verabschiedete sie sich. »Wie kommen Sie übrigens mit Ihrem Fall voran?«

21
Unser Seelchen
    Mein Bericht für Korten wurde kurz. Trotzdem brauchte ich fünf Stunden und eine Flasche Cabernet Sauvignon, bis ich um Mitternacht mit dem Diktat fertig war. Der ganze Fall rollte noch einmal an mir vorbei, und es war nicht einfach, Frau Buchendorff außen vor zu lassen.
    Ich beschrieb die Verbindung RCW / RRZ als die offene Flanke des MBI -Systems, über die nicht nur Leute vom RRZ , sondern auch andere an das RRZ angeschlossene Betriebe bei den RCW eindringen konnten. Von Mischkey borgte ich mir die Charakterisierung des RRZ als Drehscheibe der Industriespionage. Ich empfahl die Abkopplung der Emissionsdaten-Protokollierung vom Zentralsystem.
    Dann schilderte ich in bereinigter Form den Gang meiner Ermittlungen, von meinen Gesprächen und Recherchen im Werk bis hin zu einer fiktiven Konfrontation mit Mischkey, bei der er sich zu den Eingriffen bekannt und sich bereit erklärt hatte, ein Geständnis mit Offenlegung der technischen Einzelheiten gegenüber dem RCW zu wiederholen.
    Mit leerem, schwerem Kopf ging ich ins Bett. Ich träumte von einem Tennismatch in einem Eisenbahnwagen. Der Schaffner, mit Gasmaske und schweren Gummischuhen, versuchte unentwegt den Teppich wegzuziehen, auf dem ich spielte. Als es ihm gelang, spielten wir auf gläsernem Boden weiter, unter uns sausten die Schwellen davon. Meine Partnerin war eine gesichtslose Frau mit schweren, hängenden Brüsten. Ich hatte bei ihren kräftigen Bewegungen die ganze Zeit Angst, sie würde durchs Glas brechen. Als sie es tat, wachte ich entsetzt und erleichtert auf.
    Am Morgen ging ich in die Kanzlei zweier junger Anwälte in der Tattersallstraße, deren unausgelastete Sekretärin gelegentlich für mich schreibt. Die Anwälte spielten an ihrem Terminal Amigo. Die Sekretärin sicherte mir den Bericht für elf Uhr zu. Dann, im Büro, sah ich meine Post durch, zumeist Prospekte für Alarm- und Überwachungsanlagen, und rief Frau Schlemihl an.
    Sie zierte sich sehr, aber am Ende hatte ich doch meine Verabredung mit Korten zum Mittagessen im Kasino. Ehe ich den Bericht holte, buchte ich im Reisebüro auf den Planken für die Nacht einen Flug nach Athen. Anna Bredakis, eine Freundin aus gemeinsamer Studienzeit, hatte mich zwar gebeten, mich reichlich vor meiner Ankunft bei ihr anzumelden. Sie mußte für unsere Segelfahrt die von ihren Eltern geerbte Jacht in Schuß bringen lassen und aus ihren Nichten und Neffen eine Mannschaft zusammenstellen. Ich wollte mich lieber in Piräus in den Hafenkneipen herumtreiben als im ›Mannheimer Morgen‹ von Mischkeys Verhaftung lesen und mich von Frau Buchendorff mit Firner verbinden lassen, der mir mit glatter Zunge zu meinem Erfolg gratuliert.
    Ich kam eine halbe Stunde zu spät zum Essen mit Korten, aber damit konnte ich niemandem nichts beweisen. »Sie sind Herr Selb?« fragte mich am Empfang eine graue Maus, die zuviel Rouge aufgelegt hatte. »Dann ruf ich gleich mal rüber zum Herrn Generaldirektor. Wenn Sie sich bitte so lange gedulden wollen.«
    Ich wartete in der Empfangshalle. Korten kam und begrüßte mich kurz angebunden. »Geht’s nicht weiter, mein lieber Selb? Muß ich dir helfen?«
    Es war der Ton, in dem der reiche Onkel den lästigen, Schulden machenden und um Geld bettelnden Neffen begrüßt. Ich sah ihn verblüfft an. Er mochte viel zu tun haben und gestreßt und genervt sein, aber genervt war ich auch.
    »Müssen mußt du nur die Rechnung bezahlen, die hier im Umschlag mit drin liegt. Im übrigen kannst du dir anhören, wie ich deinen Fall gelöst habe, aber es auch bleibenlassen.«
    »Nicht so empfindlich, mein Lieber, nicht so empfindlich. Warum hast du Frau Schlemihl nicht gleich gesagt, worum es geht?« Er nahm mich am Arm und führte mich wieder in den Blauen Salon. Meine Blicke suchten vergebens nach der Rothaarigen mit den

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