Selbs Justiz
Sommersprossen.
»Du hast den Fall also gelöst?«
Ich gab ihm kurz den Inhalt meines Berichtes wieder. Als ich bei der Suppe auf die Fehlleistungen seiner Mannschaft zu sprechen kam, nickte er ernst. »Verstehst du jetzt, warum ich das Heft noch nicht aus der Hand geben kann? Alles nur Mittelmaß.« Dazu hatte ich nichts zu sagen. »Und was ist das für einer, dieser Mischkey?« fragte er.
»Wie stellst du dir jemanden vor, der für euer Werk hunderttausend Rhesusäffchen ordert und Kontonummern löscht, die mit 13 anfangen?«
Korten schmunzelte.
»Genau«, sagte ich, »ein lustiger Vogel und außerdem ein blitzgescheiter Informatiker. Wenn ihr den in eurem Rechenzentrum gehabt hättet, wäre es zu den Pannen nicht gekommen.«
»Und wie hast du diesen blitzgescheiten Vogel gestellt?«
»Was ich dazu sagen mag, steht in meinem Bericht. Ich habe keine Lust, mich jetzt noch groß darüber auszulassen, irgendwie fand ich Mischkey sympathisch, und es ist mir nicht leichtgefallen, ihn zu überführen. Ich fände es schön, wenn ihr ihn nicht so ganz streng, nicht ganz hart – du verstehst schon, nicht wahr?«
»Selb, unser Seelchen«, lachte Korten. »Das hast du nie gelernt, die Sachen ganz oder gar nicht zu machen.« Nachdenklicher kam dann: »Aber vielleicht ist gerade das deine Stärke – sensibel kommst du hinter Sachen und Leute, sensibel pflegst du deine Skrupel, und letztlich funktionierst du doch.«
Es verschlug mir die Rede. Warum so aggressiv und zynisch? Kortens Bemerkung hatte mich erwischt, wo es weh tat, und er wußte das und blinzelte vergnügt.
»Keine Angst, mein lieber Selb, wir werden schon kein unnötiges Porzellan zerschlagen. Und was ich über dich gesagt habe – ich schätze das an dir, versteh mich nicht falsch.«
Er machte es noch schlimmer und schaute mir mild ins Gesicht. Selbst wenn an seinen Worten was dran war – heißt Freundschaft nicht, behutsam mit den Lebenslügen des anderen umgehen? Aber es war nichts dran. In mir stieg die Wut hoch.
Ich mochte keinen Nachtisch mehr. Und den Kaffee wollte ich auch lieber im ›Café Gmeiner‹ trinken. Und Korten mußte um zwei in die Sitzung.
Ich fuhr um acht nach Frankfurt und flog nach Athen.
ZWEITER TEIL
1
Zum Glück mag Turbo Kaviar
I
m August war ich wieder in Mannheim. Ich bin immer gerne in die Ferien gefahren, und die Wochen in der Ägäis lagen unter hellem blauem Glanz. Aber seit ich älter bin, komme ich auch lieber als früher wieder nach Hause. Meine Wohnung habe ich nach Klaras Tod bezogen. Gegen ihren Geschmack hatte ich mich in der Ehe nicht durchsetzen können, und so habe ich mit Sechsundfünfzig die Freuden des Einrichtens nachgeholt, die andere schon in jungen Jahren genießen. Ich mag meine zwei schweren Ledersofas, die ein Vermögen gekostet haben und auch dem Kater standhalten, das alte Apothekerregal, in dem meine Bücher und Platten stehen, und im Arbeitszimmer das Schiffsbett, das ich mir in die Nische gebaut habe. Ich freue mich bei der Rückkehr auch stets auf Turbo, den ich von der Nachbarin zwar gut versorgt weiß, der ohne mich aber doch auf seine stille Art leidet.
Ich hatte die Koffer abgestellt und die Tür aufgeschlossen und sah vor mir, während Turbo an meinem Hosenbein hing, einen gewaltigen Präsentkorb, der auf dem Boden im Flur abgestellt war.
Die Tür der Nachbarwohnung öffnete sich, und Frau Weiland begrüßte mich. »Schön, daß Sie wieder da sind, Herr Selb. Meine Güte, sind Sie braun. Ihr Kater hat Sie sehr vermißt, gell, dudududu. Haben Sie den Korb schon gesehen? Der kam vor drei Wochen mit einem Chauffeur von den RCW . Schade um die schönen Blumen. Hab mir noch überlegt, ob ich sie in eine Vase stellen soll, aber dann wären sie jetzt auch hin. Die Post liegt wie immer auf Ihrem Schreibtisch.«
Ich bedankte mich und suchte hinter meiner Wohnungstür Schutz vor ihrem Redeschwall.
Von der Gänseleberpastete bis zum Malossol-Kaviar waren alle Delikatessen dabei, die ich mochte und die ich nicht mochte. Zum Glück mag Turbo Kaviar. Die beiliegende Briefkarte mit künstlerischem Firmenlogo war von Firner unterzeichnet. Die RCW dankten mir für meine unschätzbaren Dienste.
Sie hatten auch gezahlt. In der Post fand ich meine Kontoauszüge, Urlaubskarten von Eberhard und Willy und die unvermeidlichen Rechnungen. Den ›Mannheimer Morgen‹ hatte ich vergessen abzubestellen; Frau Wieland hatte die Zeitungen säuberlich auf meinem Küchentisch geschichtet. Ich blätterte sie
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