Selbs Justiz
wollte dort an der Ecke abgesetzt werden. Mir war egal, wo er nicht wohnte. Wir fuhren über die Brücke. »Bei deiner großen Gschicht, ist da was drin für mich? Hab auch schon Sicherheitssachen gemacht, sogar für ein großes Werk hier«, sagte er.
»Können wir noch mal drüber reden. Wenn was mit dir los ist, nehm ich dich schon gern. Ruf mich doch an.« Ich fummelte eine Visitenkarte aus meiner Jackentasche, eine richtige, und gab sie ihm. An der Ecke setzte ich ihn ab, und er steuerte schwankenden Schritts auf die nächste Kneipe zu. Judiths Auto hatte ich noch im Rückspiegel.
Ich fuhr über den Ring und bog um den Wasserturm in die Augusta-Anlage. Ich hatte darauf gewartet, hinter dem Nationaltheater ihre abschiednehmende Lichthupe und dann nichts von ihr zu sehen. Sie folgte mir in die Richard-Wagner-Straße vor die Haustür und wartete mit laufendem Motor, als ich einparkte.
Ich stieg aus, schloß ab und ging zu ihr rüber. Es waren nur sieben Schritte, und in sie legte ich alles, was ich in meinem zweiten Frühling an überlegener Männlichkeit kultiviert hatte. Ich beugte mich in ihr Fenster, keine rheumatischen Kosten scheuend, und wies mit der Linken auf den nächsten freien Parkplatz.
»Du kommst doch noch auf einen Tee mit hoch?«
11
Danke für den Tee
Während ich den Tee machte, ging Judith in der Küche auf und ab und rauchte. Sie war noch ganz aufgeregt. »So ein Würstchen«, sagte sie, »so ein Würstchen. Und was hat er mir für angst gemacht, damals auf dem Ehrenfriedhof.«
»Damals war er nicht allein. Und weißt du, wenn ich ihn hätte in Fahrt kommen lassen, hätte ich auch mehr Angst gehabt. Der hat in seinem Leben schon einige zusammengeschlagen.« Wir nahmen den Tee mit ins Wohnzimmer. Ich dachte an das Frühstück mit Brigitte und war froh, das Geschirr jetzt nicht in meiner Küche stehen zu haben.
»Ich weiß noch immer nicht, ob ich deinen Fall übernehmen kann. Aber überleg noch mal, ob ich ihn wirklich übernehmen soll. Ich habe schon mal in Sachen Peter Mischkey ermittelt, gegen ihn. Ich habe ihn überführt, ins RCW -Informationssystem gewissermaßen eingebrochen zu sein.« Ich erzählte ihr alles. Sie unterbrach mich nicht. Ihr Blick war voll Leid und Vorwurf. »Ich kann den Vorwurf in deinem Blick nicht annehmen. Ich habe meine Arbeit getan, und dazu gehört es nun einmal, andere zu benutzen, bloßzustellen, zu überführen, auch wenn sie sympathisch sind.«
»Ja und? Warum dann die große Beichte? Irgendwie willst du doch eine Absolution von mir.«
Ich sprach in ihr verletztes, abweisendes Gesicht. »Du bist meine Auftraggeberin, und zwischen meinen Auftraggebern und mir hab ich gern klare Verhältnisse. Warum ich dir die Geschichte nicht gleich erzählt habe, magst du fragen. Ich habe …«
»Das mag ich allerdings fragen. Aber eigentlich will ich die glatten, feigen, falschen Sachen, die du jetzt sagen kannst, gar nicht hören. Danke für den Tee.« Sie griff nach ihrer Handtasche und stand auf. »Was schulde ich Ihnen für Ihre Bemühungen? Schicken Sie mir Ihre Rechnung.«
Auch ich stand auf. Als sie im Flur die Tür öffnen wollte, zog ich ihre Hand von der Klinke weg. »Mir liegt viel an dir. Und dein Interesse, Klarheit über Mischkey zu haben, ist doch nicht erledigt. Geh nicht so.«
Sie hatte, während ich redete, ihre Hand in meiner gelassen. Jetzt nahm sie die Hand weg und ging wortlos.
Ich schloß die Wohnungstür. Aus dem Kühlschrank nahm ich das Glas mit den Oliven und setzte mich auf den Balkon. Die Sonne schien, und Turbo, der auf den Dächern gestromert hatte, kringelte sich schnurrend in meinen Schoß. Es war nur wegen der Oliven, ich gab ihm ein paar ab. Von der Straße hörte ich, wie Judith ihren Alfa anließ. Der Motor heulte auf, erstarb. Kam sie wieder? Nach einigen Sekunden ließ sie den Wagen noch einmal an und fuhr davon.
Ich schaffte es, nicht darüber nachzudenken, ob ich mich richtig verhalten hatte, und genoß jede einzelne Olive. Es waren die schwarzen griechischen, die nach Moschus, Rauch und schwerer Erde schmecken.
Nach einer Stunde auf dem Balkon ging ich in die Küche und machte die Kräuterbutter für die Schnecken nach dem Konzert. Es war fünf Uhr, ich rief bei Brigitte an und ließ das Telephon zehnmal klingeln. Zum Hemdenbügeln hörte ich die Wally und freute mich auf Wilhelmenia Fernandez. Aus dem Keller holte ich ein paar Flaschen Elsässer Riesling und legte sie in den Eisschrank.
12
Hase und Igel
Das Konzert
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