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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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wird. Aber war nichts mit den Automaten, sondern oben an der Brücke. Sind Sie von der Presse?«
    »Ich bin von der Versicherung. Hat Ihr Mann dann die Polizei angerufen?«
    »Mein Mann hat doch noch gar nichts gewußt. Als im Gastraum nichts war, ist er hochgekommen und hat was übergezogen. Er ist dann raus auf die Gleise, aber da hat er schon die Sirene vom Notarzt gehört. Was hätt er noch anrufen sollen?«
    Die dralle blonde Tochter brachte den Sauerbraten und hörte aufmerksam zu. Ihre Mutter schickte sie wieder in die Küche. »Ihre Tochter hat nichts mitgekriegt?« Es war mit Händen zu greifen, daß die Mutter ein Problem mit ihrer Tochter hatte. »Die kriegt gar nichts mit. Guckt nur jeder Hose nach, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich war nicht so damals.« Jetzt war es zu spät. In ihrem Blick lag hungrige Vergeblichkeit. »Schmeckt’s?«
    »Wie bei Muttern«, sagte ich. Es klingelte aus der Küche, und sie löste ihren bereiten Leib von meinem Tisch. Ich beeilte mich mit Sauerbraten und Wieslocher.
    Auf dem Weg zu meinem Auto hörte ich schnelle Schritte hinter mir. »Hallo, Sie!« Die Kleine aus der Bahnhofgaststätte kam atemlos gerannt. »Sie wollen doch was über den Unfall wissen. Ist ein Hunderter für mich drin?«
    »Kommt drauf an, was du mir zu sagen hast.« Sie war ein hartgesottenes Luder. »Fünfzig gleich, und davor fange ich nicht zu reden an.« Ich wollte es wissen und zog zwei Fünfzigmarkscheine aus meiner Brieftasche. Den einen gab ich ihr, den anderen knüllte ich zu einem Bällchen.
    »Also, das war so. An dem Donnerstag hat mich der Struppi nach Hause gefahren, mit seinem Manta. Als wir über die Brücke kamen, stand da der Lieferwagen. Ich habe mich noch gewundert, was der macht auf der Brücke. Dann haben der Struppi und ich, na, dann haben wir halt noch. Und als es geknallt hat, hab ich den Struppi weggeschickt, weil ich mir schon gedacht hab, daß mein Vater jetzt kommt. Meine Eltern haben was gegen den Struppi, weil er doch so gut wie verheiratet ist. Aber ich liebe ihn. Ist ja auch egal, jedenfalls habe ich gesehen, wie der Lieferwagen wegfuhr.«
    Ich gab ihr das Bällchen. »Wie sah der Lieferwagen aus?«
    »Irgendwie komisch. Die fahren sonst nicht bei uns rum. Aber mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Er hatte auch kein Licht an.«
    Aus der Tür der Bahnhofgaststätte schaute die Mutter. »Kommst du wohl her, Dina? Laß den Mann in Ruhe!«
    »Ich komm ja schon.« Dina ging mit provozierender Langsamkeit zurück. Mitleid und Neugier trieben mich, den Mann kennenzulernen, der mit dieser Frau und Tochter geschlagen war. In der Küche traf ich ein dünnes, schwitzendes, mit Töpfen, Kasserollen und Pfannen hantierendes Männchen. Wahrscheinlich hatte er schon wiederholt versucht, mit seiner Gaspistole Selbstmord zu begehen.
    »Tun Sie’s nicht. Die beiden sind’s nicht wert.«
    Auf der Heimfahrt hielt ich nach Lieferwagen Ausschau, die sonst nicht bei uns rumfahren. Aber ich sah nichts, es war auch Sonntag. Wenn stimmte, was Dina mir erzählt hatte, gab es über Mischkeys Tod weiß Gott mehr zu wissen, als im Polizeibericht stand.
    Als wir uns am Abend in den ›Badischen Weinstuben‹ trafen, wußte Philipp, daß die Blutgruppe Mischkeys AB war. Also war es nicht sein Blut, das ich an der Seite abgekratzt hatte. Was folgte daraus?
    Philipp aß mit Appetit seine Blutwurst. Er erzählte mir von Lebkuchenherzen, Herztransplantationen und seiner neuesten Freundin, die sich ihre Schamhaare herzförmig zurechtrasierte.

14
Laufen wir ein paar Schritte
    Ich hatte den halben Sonntag mit einem Fall verbracht, für den ich keinen Auftrag mehr hatte. Das darf man als Privatdetektiv prinzipiell nicht.
    Ich sah durch die getönte Scheibe auf die Augusta-Anlage. Nahm mir vor, beim zehnten Auto zu entscheiden, wie es weitergeht. Das zehnte Auto war ein Käfer. Ich krabbelte hinter meinen Schreibtisch, um einen Schlußbericht für Judith Buchendorff zu schreiben. Ein Ende muß seine Form haben.
    Ich nahm Block und Blei und machte mir Stichpunkte. Was sprach gegen einen Unfall? Da war das, was Judith mir erzählt hatte, da waren die zwei Schläge, die Dinas Mutter gehört hatte, und da war vor allem Dinas Beobachtung. Sie war brisant genug, um mich, hätte ich den Fall weiterbearbeitet, intensiv nach dem Lieferwagen und dessen Fahrer suchen zu lassen. Hatten die RCW etwas mit meinem Fall zu tun? Über sie hatte Mischkey nachhaltig recherchiert, mit welcher Absicht auch immer, und sie waren doch

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