Selbs Justiz
in die Systeme der angeschlossenen Unternehmen einzudringen, als Freund von Frau Buchendorff das Motiv, dies gerade bei den rcw zu tun.
Die Gehaltserhöhung für die Chefsekretärinnen war ei-ne anonyme Freundlichkeit für die Freundin gewesen.
Diese Indizien allein würden vor Gericht, wenn es dort mit rechten Dingen zuginge, nicht ausreichen.
Gleichwohl waren sie für mich überzeugend genug, um mich weniger überlegen zu lassen, ob er’s war, als wie ich ihn überführen könnte.
Ihn konfrontieren, vor Zeugen, damit er unter der Last seiner Schuld zusammenbricht – albern. Ihm eine Falle stellen, zusammen mit Oelmüller und Thomas, diesmal gezielt und besser vorbereitet – zum einen wußte ich nicht, ob das Erfolg haben würde, zum anderen wollte ich das Duell mit Mischkey selbst und mit 101
meinen Mitteln austragen. Kein Zweifel, dieser Fall war einer von denen, die mich persönlich packten. Vielleicht forderte er mich sogar zu persönlich heraus. Ich emp-fand eine unsaubere Mischung aus beruflichem Ehrgeiz, Respekt für den Gegner, keimender Eifersucht, klassischer Rivalität zwischen Jäger und Gejagtem, Neid auf Mischkeys Jugend. Ich weiß zwar, daß dies die Unsauberkeit der Welt ist, der nur die Heiligen entrinnen und die Fanatiker meinen, entrinnen zu können. Gleichwohl stört sie mich manchmal. Weil so wenige sie sich eingestehen, denke ich dann, nur ich litte unter ihr. Auf der Universität in Berlin hatte mein Lehrer Carl Schmitt uns Studenten eine Theorie vorgetragen, die reinlich zwischen dem politischen und dem persönlichen Feind unterschied, und alle waren überzeugt und fühlten sich in ihrem Antisemitismus gerechtfertigt.
Schon damals hatte mich beschäftigt, ob die anderen die Unsauberkeit ihrer Gefühle nicht aushalten konnten und bemänteln mußten oder ob meine Fähigkeit, zwischen Persönlichem und Sachlichem gefühlsmäßig eine klare Grenze zu ziehen, unterentwickelt war.
Ich machte mir noch einen Tee. Konnte die Überführung über Frau Buchendorff laufen? Konnte ich Mischkey über Frau Buchendorff dazu bringen, noch einmal und diesmal identifizierbar in das rcw-System ein-zugreifen? Oder konnte ich mich Gremlichs und seines zweifellos vorhandenen Wunschs, Mischkey eins aus-zuwischen, bedienen? Mir fiel nichts Überzeugendes ein. Ich würde mich auf mein Talent zur Improvisation verlassen müssen.
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Das weitere Beschatten konnte ich mir sparen. Aber zum ›Kleinen Rosengarten‹, wo ich die Freunde sonntags manchmal zum Mittagessen treffe, nahm ich nicht den gewohnten Weg über Wasserturm und Ring, sondern ging an der Christuskirche vorbei. Mischkeys Citroën war weg, und Frau Buchendorff arbeitete im Garten. Ich wechselte die Straßenseite, um sie nicht begrü-
ßen zu müssen.
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Grüß Gott im Himmel wie auf Erden
»Guten Morgen, Frau Buchendorff. Wie war Ihr Wochenende?« Sie saß um halb neun noch vor der Zeitung, hatte die Sportseite aufgeschlagen und las die letzten Nachrichten von unserem jungen Leimener Tenniswunder. Sie hatte die Liste der zirka sechzig Betriebe, die an das Smogalarmsystem angeschlossen waren, in einer grünen Plastikhülle für mich bereitliegen. Ich bat sie, meinen Termin mit Oelmüller und Thomas abzusa-gen. Ich wollte die beiden erst nach der Lösung des Falls und am liebsten auch dann nicht mehr sehen.
»Schwärmen Sie auch für unser Tenniswunderkind, Frau Buchendorff?«
»Was meinen Sie mit ›auch‹? Wie Sie selbst oder wie Millionen anderer deutscher Frauen?«
»Ich find ihn schon faszinierend.«
»Spielen Sie?«
»Sie werden lachen, es fällt mir schwer, Gegner zu finden, die ich nicht gleich vom Platz fege. Allein können mich jüngere Spieler manchmal einfach deswegen besiegen, weil sie die bessere Kondition haben. Aber im Doppel bin ich mit einem ordentlichen Partner fast un-schlagbar. Spielen Sie?«
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»Um den Mund mal so voll zu nehmen wie Sie, Herr Selb, so gut, daß die Männer Komplexe kriegen.« Sie stand auf. »Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle. Süd-westdeutsche Juniorenmeisterin 1968.«
»Eine Flasche Champagner gegen die Minderwertig-keitskomplexe«, bot ich an.
»Was heißt denn das?«
»Das heißt, daß ich Sie nach Strich und Faden besiegen, Ihnen aber zum Trost eine Flasche Champagner mitbringen werde. Allerdings, wie gesagt, lieber im gemischten Doppel. Haben Sie einen Partner?«
»Ja, ich habe jemand«, sagte sie kampfeslustig. »Wann soll’s denn sein?«
»Ich würde gerne gleich heute
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