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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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rum. Aber mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Er hatte auch kein Licht an.«
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    Aus der Tür der Bahnhofgaststätte schaute die Mutter. »Kommst du wohl her, Dina? Laß den Mann in Ruhe!«
    »Ich komm ja schon.« Dina ging mit provozierender Langsamkeit zurück. Mitleid und Neugier trieben mich, den Mann kennenzulernen, der mit dieser Frau und Tochter geschlagen war. In der Küche traf ich ein dünnes, schwitzendes, mit Töpfen, Kasserollen und Pfannen hantierendes Männchen. Wahrscheinlich hatte er schon wiederholt versucht, mit seiner Gaspistole Selbstmord zu begehen.
    »Tun Sie’s nicht. Die beiden sind’s nicht wert.«
    Auf der Heimfahrt hielt ich nach Lieferwagen Ausschau, die sonst nicht bei uns rumfahren. Aber ich sah nichts, es war auch Sonntag. Wenn stimmte, was Dina mir erzählt hatte, gab es über Mischkeys Tod weiß Gott mehr zu wissen, als im Polizeibericht stand.
    Als wir uns am Abend in den ›Badischen Weinstuben‹ trafen, wußte Philipp, daß die Blutgruppe Mischkeys ab war. Also war es nicht sein Blut, das ich an der Seite abgekratzt hatte. Was folgte daraus?
    Philipp aß mit Appetit seine Blutwurst. Er erzählte mir von Lebkuchenherzen, Herztransplantationen und seiner neuesten Freundin, die sich ihre Schamhaare herzförmig zurechtrasierte.
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    Laufen wir ein paar Schritte
    Ich hatte den halben Sonntag mit einem Fall verbracht, für den ich keinen Auftrag mehr hatte. Das darf man als Privatdetektiv prinzipiell nicht.
    Ich sah durch die getönte Scheibe auf die Augusta-Anlage. Nahm mir vor, beim zehnten Auto zu entscheiden, wie es weitergeht. Das zehnte Auto war ein Käfer. Ich krabbelte hinter meinen Schreibtisch, um einen Schlußbericht für Judith Buchendorff zu schreiben.
    Ein Ende muß seine Form haben.
    Ich nahm Block und Blei und machte mir Stichpunkte. Was sprach gegen einen Unfall? Da war das, was Judith mir erzählt hatte, da waren die zwei Schläge, die Dinas Mutter gehört hatte, und da war vor allem Dinas Beobachtung. Sie war brisant genug, um mich, hätte ich den Fall weiterbearbeitet, intensiv nach dem Lieferwagen und dessen Fahrer suchen zu lassen. Hatten die rcw etwas mit meinem Fall zu tun? Über sie hatte Mischkey nachhaltig recherchiert, mit welcher Absicht auch immer, und sie waren doch wohl das große Werk, für das Fred einmal gearbeitet hatte. Hatte Fred auf dem Ehrenfriedhof für sie zugeschlagen? Dann hatte ich noch die Blutspuren an der rechten Seite von 186
    Mischkeys Kabriolett. Schließlich das Gefühl, daß was nicht stimmte, und die vielen Gedankensplitter der letzten Tage. Judith, Mischkey und ein eifersüchtiger, verschmähter Rivale? Ein anderer Computereinbruch von Mischkey mit tödlichem Gegenschlag? Ein Unfall unter Beteiligung des Lieferwagens, dessen Fahrer Fah-rerflucht begeht? Ich dachte an die zwei Schläge – ein Unfall, in den noch ein drittes Fahrzeug verwickelt ist?
    Selbstmord von Mischkey, dem alles über den Kopf wächst?
    Ich brauchte lange, bis ich diese Unfertigkeiten in einen Schlußbericht umgesetzt hatte. Fast ebenso lange saß ich über der Frage, ob ich Judith eine Rechnung und was ich in diese schreiben sollte. Ich rundete auf tausend Mark ab und schlug die Mehrwertsteuer wieder drauf. Als ich auch den Umschlag getippt, frankiert und Brief und Rechnung darin verschlossen hatte, schon in den Mantel geschlüpft war und zum Briefkasten gehen wollte, setzte ich mich noch mal hin und schenkte mir einen Sambuca mit drei Mücken ein.
    Es war alles beschissen gelaufen. Ich würde den Fall vermissen, der mich mehr gepackt hatte, als meine Arbeit dies sonst tut. Ich würde Judith vermissen. Warum sollte ich’s mir nicht eingestehen.
    Als der Brief im Kasten lag, ging ich an den Fall Sergej Mencke. Ich rief im Nationaltheater an und vereinbarte einen Termin mit dem Chef des Balletts. Ich schrieb an die Vereinigten Heidelberger Versicherungen und fragte, ob sie die Kosten einer Reise nach den usa übernehmen wollten. Die beiden besten Freunde und 187
    Kollegen meines selbstverstümmelten Ballettänzers, Joschka und Hanne, hatten für die neue Saison Engagements in Pittsburgh, Pennsylvania, angenommen und waren dorthin abgereist, und ich war noch nie in den usa gewesen. Ich fand raus, daß die Eltern von Sergej Mencke in Tauberbischofsheim wohnten. Der Vater war dort Hauptmann. Die Mutter sagte am Telephon, ich könne über Mittag vorbeikommen. Hauptmann
    Mencke war Heimesser. Ich telephonierte mit Philipp und fragte ihn, ob in den Annalen des

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