Selbs Mord
nicht.«
»Es tut mir leid.«
Er nickte. »Es ist nichts mehr umsonst.«
Als er gegangen war, rief ich Welker an. Ich wollte ihn warnen; Ulbrich sollte ihn, falls er ihn aufsuchte, nicht unvorbereitet antreffen. »Vielen Dank, daß Sie mich anrufen!« Er ließ sich den Namen und die Adresse geben und war ganz gelassen. »Bis Samstag!«
14
Eins und eins, das macht zwei
Am meisten genossen die Kinder Welkers Fest. Sie waren im richtigen Alter, Manu und Welkers Sohn Max ein bißchen älter als Anne, die Tochter von Füruzans Kollegin beim Einsatz am Wasserturm, und Welkers Tochter lsabel. Anfänglich ließen die Jungen die Mädchen links liegen und saßen am Computer. Die Mädchen zogen sich zurück und bretzelten sich auf. Brigitte hätte sie lieber am Computer sitzen statt in die Frauenfalle tappen sehen und rümpfte die Nase. Aber über den aufgebretzelten Mädchen vergaßen die Jungen den Computer und flirteten, Manu mit lsabel, die von der Mutter das dunkle Haar und die Glut in den Augen geerbt hatte, und Max mit Anne, beide blond. Der Garten war groß, und als Brigitte und ich einen Spaziergang bis zum Birnbaum am Zaun machten, sahen wir das eine Paar auf der Bank unter dem Schlehdorn schmusen und das andere auf der Mauer bei den Rosen. Es war ein traulicher, harmloser Anblick. Trotzdem war Brigitte beunruhigt, als es dunkel wurde und die Kinder nicht an die Tafel kamen, die im Garten gedeckt war, und suchte sie. Sie saßen auf dem Balkon, tranken Cola, aßen Kartoffelchips und redeten über die Liebe und den Tod.
Nägelsbachs waren gekommen, Philipp und Füruzan, Füruzans Kollegin und ihr Freund, Brigitte und ich. Philipp sah ich die Erleichterung darüber an, daß Nägelsbach nicht zur Polizei gegangen war. Außerdem war eine junge Frau da, die Welker uns als Max’ Lehrerin am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium vorstellte und der er mit der Bewunderung begegnete, die ein junger Witwer mit zwei Kindern mit Anstand zeigen kann. Die anderen Gäste habe ich vergessen; es waren Nachbarn und Freunde oder Bekannte vom Tennisclub.
Zuerst war das Gespräch holprig, aber der Wein, ein Chardonnay aus der Pfalz, trank sich so selbstverständlich, das Essen war von der Grünkernsuppe über den Victoriabarsch bis zum Brombeerquark so einfach und überzeugend und der Schein der Kerzen so heimelig, daß die Befangenheit sich verlor. Welker hielt eine kleine Rede; er freue sich, wieder zurück und mit den Kindern zusammenzusein. Und dankte dem Wasserturm-Kommando. Warum er weg gewesen war und wofür er uns dankte, ließ er lieber im dunkeln. Aber alle waren’s zufrieden.
Als es kühl wurde und im Haus der Kamin brannte, nahm Welker mich beiseite. »Machen wir, ehe wir reingehen, ein paar Schritte durch den Garten?«
Wir gingen über die Wiese und setzten uns auf die Bank unter dem Schlehdorn.
»Ich habe viel über Gregor nachgedacht – und über uns, die Welkers. Wir haben ihn aufgenommen, aber alles, was wir gaben, waren Almosen. Weil wir überhaupt gaben, haben wir auch noch seine Dienste in Anspruch genommen. Ich hatte als Kind das Zimmer im Dach und er das im Keller, damit er im Winter die Heizung versorgen konnte, die damals noch nicht mit Öl, sondern mit Kohle befeuert wurde.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe mich zu erinnern versucht, wann ich in unserer Kindheit das erste Mal gemerkt habe, daß er mich haßt. Es ist mir nicht eingefallen. Es hat mich damals einfach nicht interessiert, und so habe ich es mir auch nicht gemerkt.« Er sah mich an. »Ist das nicht furchtbar?«
Ich nickte.
»Ich weiß, daß ich ihn erschossen habe, ist noch furchtbarer. Aber irgendwie ist es dieselbe Furchtbarkeit. Verstehen Sie, was ich meine? Was in unserer Kindheit geschehen ist, hat Frucht getragen, wie es in der Bibel heißt, bei ihm war’s der Mord an meiner Frau und alles andere und bei mir, daß ich mich nur noch so vor ihm retten konnte.«
›Er sagte, er hat Ihre Frau gemocht.«
»Er hat Stephanie gemocht, wie der Diener die Tochter des Herrn mögen kann, den er haßt. Letztlich steht sie auf der anderen Seite, und wenn es hart auf hart geht, zählt nur noch das. Als Stephanie sich gegen ihn gestellt hat, ging es hart auf hart.«
Im Haus gingen die Lichter an, und der Schein fiel auf die Wiese. Unter dem Schlehdorn blieb es dunkel. »Eins und eins, das macht zwei« – jemand legte Hildegard Knef auf, und ich wollte Brigitte im Arm halten und mit ihr Walzer tanzen.
»Wo sie Stephanie … Ob sie gleich
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