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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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Kommunistin nicht im Stich lassen, wie die Chefin immer sagte, bei der ich gelernt habe.« Ich traute ihr zu, daß sie’s schaffen würde. Sie sah wieder aus wie die Traktoristin, mit der man gerne losziehen und Traktoren stehlen würde. Sie runzelte die Stirn. »Was für Daten wollen Sie?«
    »Ich wüßte gerne, ob noch Geld gewaschen wird.«
    »Sie haben mir geschrieben …«
    »Ich weiß. Aber ich bin nicht sicher, ob es stimmt. Ich habe das Gefühl, daß …«
    »Verstehen Sie was von Computern?«
    »Nein.«
    Sie stand auf, stützte die Arme auf die Hüften und sah mich von oben bis unten an. »Ich soll mit Ihnen bei Nacht und Nebel in die Sorbische einsteigen und den Computer anschalten und nach Daten suchen, weil Sie ein Gefühl haben? Ich soll für ein Gefühl von Ihnen Kopf und Kragen riskieren? Meinen Sie, ich kann bei irgendeiner Bank auch nur putzen, wenn ich in der Sorbischen erwischt werde? Was bilden Sie sich …« Sie stand vor mir und schimpfte, wie ich seit meiner Mutter niemanden habe schimpfen hören. Wäre ich aufgestanden, hätte ich sie um Kopfeslänge überragt und den Zauber zerstört. So blieb ich sitzen und starrte sie begeistert an, bis sie aufhörte, sich hinsetzte und lachte.
    »Habe ich was von Einsteigen gesagt?«
    »Nein«, lachte sie, »ich. Ich habe was davon gesagt, und ich würde auch gerne einsteigen und die Programme und Dateien durcheinanderwirbeln. Aber es geht nicht. Auch nicht mit Ihnen, der nichts von Einsteigen gesagt, aber daran gedacht hat.«
    »Ohne Sie? Könnte ich ohne Sie einsteigen und den Computer einschalten und nach den Daten suchen?«
    »Haben Sie mir nicht gerade gesagt, daß Sie von Computern nichts verstehen?«
    »Können Sie mir, was Sie damals gemacht haben, nicht beschreiben? Schritt für Schritt? Ich …«
    »In einem Tag ein Hacker werden? Vergessen Sie’s.«
    »Ich …«
    »Gleich ist es elf, und bei den Sorben geht’s früh ins Bett. Wir trinken noch ein Bier, und dann richte ich Ihnen das Sofa.«

4
Im Sicherungsschrank
    »Nur als Gedankenspiel – käme man überhaupt bei Nacht und Nebel in die Sorbische rein?«
    Ich fragte sie beim Frühstück, und sie antwortete so schnell, daß auch sie nachts darüber nachgedacht haben mußte. »Man würde es nicht bei Nacht und Nebel machen. Man würde nachmittags mit dem Dietrich die Teeküche aufschließen und sich dort im Sicherungsschrank verstecken, bis alle weg sind. Dann hätte man die Bank für sich. Schwierig ist nicht das Rein-, sondern das Rauskommen. Morgens um sieben, wenn die Putzfrauen kommen, müßte man sich eigentlich wieder verstecken, bis die Sorbische aufmacht und man sich unter die Kunden mischen kann. Aber im Sicherungsschrank geht’s nicht, da sind die Putzsachen untergebracht, in der Toilette, im Kopierraum, hinter den Schaltern oder unter den Schreibtischen machen die Putzfrauen sauber, und in den Raum mit den Schließfächern oder in den Tresorraum kommt man nicht.«
    »Wo kommen die Putzfrauen rein?«
    »Sie haben einen Schlüssel für den Seiteneingang.«
    »Kann man, wenn sie aufmachen, an ihnen vorbei rausstürzen?«
    Sie überlegte. Es gab Eier mit gebratenem Speck und Kartoffeln und dazu Marmeladenbrot und Kaffee. Sie aß, als hätte sie lange nichts gekriegt und als würde es lange nichts mehr geben. Als ich vor dem zweiten Ei kapitulierte, aß sie auch meinen Teller leer. »Morgens wie ein Bischof, mittags wie ein Priester, abends wie ein Bettelmönch. Die Putzfrauen bekämen einen Schreck und würden die Polizei rufen. Warum nicht?« Sie wischte beide Teller mit einem Stück Brot blank.
    »Spielen wir das Gedankenspiel noch ein bißchen weiter?«
    Sie lachte. »Tut niemandem weh, oder?«
    »Wenn man in der Bank wäre und am Computer säße und mit den Programmen und Daten nicht zurechtkäme und ein Handy hätte und jemanden anrufen könnte, der was davon verstünde, müßte man doch …«
    Sie lachte wieder. Sie lachte mit hüpfendem Bauch und hielt sich am Tisch fest, als würde es sie anders vom Stuhl reißen.
    Ich wartete, bis sie sich beruhigt hatte. »Frau Soboda, können Sie mir an Ihrem Computer zeigen, was ich heute nacht tun muß? Und können Sie mir heute nacht helfen, wenn ich nicht weiterkomme und Sie mit meinem Handy anrufe? Ich weiß, daß ich wenig Chancen habe, was zu finden, aber ich habe keine Ruhe, wenn ich es nicht immerhin versuche.«
    Sie schaute auf die Uhr. »Sechs Stunden. Sie haben ein Handy?«
    Ich ließ mir den Weg zum einschlägigen Laden

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