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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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hätten mich eingeschüchtert. Sie dachten, deswegen hätte ich Sie laufenlassen. Stimmt’s?« Karl-Heinz Ulbrich schaute mich triumphierend an. »Ich wollte nur rauskriegen, wer Ihnen hilft.« Dann schaute er Vera Soboda an. »Das werden Sie noch bereuen. Wenn Sie meinen, Sie könnten sich von der Sorbischen Lohn zahlen lassen und ihr zugleich in die Suppe spucken, irren Sie sich gewaltig.«
    Sie sah ihn an, als wollte sie ihm an die Gurgel. Dabei würde von ihm nicht viel übrigbleiben und von mir auch nicht, sollte ich mich dazwischenwerfen. Ohne die Augen von ihm zu lassen, fragte sie mich: »Haben Sie’s rausgefunden?«
    »Nein. Daß Welker Sie gerade durch ihn ersetzt hat, würde passen. Sie wissen, was gespielt wurde. Er weiß es nicht. Aber das beweist noch nichts.«
    »Was weiß ich nicht?«
    »Nützlicher Idiot.« Sie war so voller Abscheu, daß sie keine Beweise brauchte.
    »Was …«
    »Plustern Sie sich nicht auf. Was meinen Sie, warum Welker Sie, der vom Bankgeschäft so viel versteht wie ich von der Straußenzucht, zum neuen Chef gemacht hat? Weil Sie die Sorbische leiten können? Quatsch. Der einzige Grund ist, daß Sie nicht mitkriegen, daß in der Sorbischen Geld gewaschen wird. Nein, nicht der einzige. Der andere ist, wie Sie die Kolleginnen und Kollegen behandeln und daß Sie für jede Gemeinheit gut sind.«
    »Na, hören Sie mal! Das Bankgeschäft ist keine Hexerei, und was ich mitkriegen muß, kriege ich mit. Hätte ich Sie beide sonst gefaßt? Ich war früher bei der Hauptabteilung XVIII, Sicherung der Volkswirtschaft, und da haben sie nur die Besten genommen. Die Besten! Geldwäsche – daß ich nicht lache.«
    »Bei der Stasi waren Sie!« Sie schaute ihn zuerst verwundert an und dann, als hätte sie ihn lange nicht gesehen und erkennte ihn jetzt Gesichtszug um Gesichtszug wieder. »Natürlich. Einmal im Dreck, immer im Dreck. Wenn nicht mehr für die Unseren, dann für die anderen. Wer euch gerade braucht und zahlt.«
    »Dreck? Er ist widerrechtlich eingedrungen, und Sie erheben ungeheuerliche, unbewiesene Vorwürfe – das ist Dreck. Und was soll das, daß ich nicht mehr für uns arbeite, sondern für die anderen! Was bitte soll ich denn noch für uns arbeiten? Sie reden, als würde ich uns verraten – so was Dummes habe ich lange nicht gehört. Es gibt uns nicht mehr, es gibt nur noch die anderen!« Er versuchte immer noch, sich überlegen zu präsentieren, und klang doch erschöpft und verzweifelt. Als hätte er an die DDR und die Stasi geglaubt und seine Arbeit geliebt und fände sich ohne sie nicht mehr zurecht. Als wäre er verwaist.
    Aber Vera Soboda ließ nicht locker. Früher bei der Stasi, jetzt bei einer fragwürdigen westdeutschen Bank, ignorant, was das Geschäft angeht, gemein zu den Kolleginnen und Kollegen, zuerst ihr vor die Nase gesetzt und dann auch noch an ihre Stelle getreten – sie war zu wütend auf ihn, als daß sie seine Erschöpfung und Verzweiflung hätte sehen und Mitleid mit ihm haben können. Vielleicht war es auch zuviel verlangt. »Ich weiß, daß es uns nicht mehr gibt. Ich sage auch nichts von Verrat – es war Drecksarbeit, was Sie früher gemacht haben, und es ist Drecksarbeit, was Sie heute machen. Sie bereiten doch schon die Entlassungen vor, oder nicht? Alle wissen es. Wissen Sie, wie Sie genannt werden? Der Todesengel – und bilden Sie sich nichts darauf ein, daß alle Angst vor Ihnen haben. Man kann auch vor einem Würstchen Angst haben, wenn es giftig und eklig genug ist.«
    »Frau Soboda …« Ich wollte begütigen. Aber jetzt konnte Ulbrich auch nicht mehr lockerlassen.
    »Kommen Sie von Ihrem hohen Roß runter. Wenn in der Bank Geld gewaschen würde, dann nicht erst seit ein paar Wochen, sondern schon, als Sie noch da waren, mit Ihrem Wissen, unter Ihren Augen. Haben Sie sich darum gekümmert? Haben Sie was dagegen gemacht? Sind Sie zur Polizei gegangen?« Er schaute wieder triumphierend. »Dreck? Sie standen mit beiden Beinen drin und stünden gerne immer noch drin. Wenn sich hier jemand für keine Schweinerei zu gut war, dann Sie!«
    Jetzt sah Vera Soboda erschöpft aus. Sie zuckte die Schultern, hob und senkte die Arme und ging vom Flur, in dem wir standen, ins Wohnzimmer und setzte sich. Ulbrich folgte ihr. »So einfach kommen Sie nicht davon. Ich erwarte von Ihnen mindestens eine Entschuldigung.« Dann wußte er auch nicht weiter.
    Ich ging in die Küche, holte drei Bier aus dem Kühlschrank, machte sie auf und brachte sie ins Wohnzimmer.

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