Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand (German Edition)
künftig im regionalen Fähr- und Transportbetrieb eingesetzt werden.
Wieder da: Vaka Moana.
Die Vaka unternahmen 2011 eine Reise von Aotearoa, ihrem Entstehungsort, nach Hawaii und weiter zur Westküste der Vereinigten Staaten, was eine Demonstration der Leistungsfähigkeit der traditionellen Technologie war und damit gewissermaßen eine Identitätsinfusion für die pazifischen Seeleute. Die Schiffe funktionieren denn auch genau so: Sie knüpfen an der Stelle an, wo die regionale Kultur durch äußere Intervention ge- und nahezu zerstört worden war, und erinnern die Leute daran, was sie eigentlich sind und können. »The Pacific Voyagers«, die Flotte der sieben Vaka, legte auch in San Francisco an und die Seeleute gingen für ein eigens für sie ausgerichtetes Willkommensfest an Land. Nach amerikanischer Sitte wurde das Buffet mit Plastikbesteck und Papptellern angerichtet; die samoanischen Seeleute gingen angesichts dessen schnurstracks zum Strand, schwammen zu ihren Booten zurück und brachten ihr eigenes Geschirr und Besteck zur Party. So viel zum Thema gelebte Nachhaltigkeit.
Weil der Erfolg so durchschlagend ist, ließ Paulmann gleich noch zwei kleinere Vaka-Typen nachbauen, die für den lokalen Verkehr zwischen den Inseln besser geeignet sind als die großen Vakas: Vaka Motu und Vaka Hapua. Hanna und Dieter Paulmann haben aus ihrer unternehmerischen Vergangenheit das Wissen mitgebracht, dass man auf der Ebene des Sozialen ansetzen muss, wenn man Dinge in Bewegung bringen will. Wenn man Menschen die Möglichkeit gibt, einen Job, ein Geschäft, eine Initiative als etwas Eigenes betrachten zu können, dann setzen sie sich dafür ein, entwickeln es weiter und kultivieren es. Bei fremdbestimmten Aktivitäten erfüllen die Leute eine Aufgabe, nicht mehr, und über die Bezahlung hinaus haben sie wenig davon. Selbstbestimmtes Wirtschaften befördert Achtsamkeit, Sorgfalt und Engagement – und das zu ermöglichen ist allerdings eine Kunst: Menschen etwas Eigenes zu geben.
Und natürlich gibt es auch hier Lernprozesse: Warum soll man solche Dinge nur in der Ferne machen und nicht auch direkt vor Ort? Zu Hause in Darmstadt unterstützen Paulmanns ein großartiges Zirkusprojekt, mit dessen Hilfe deviante Jugendliche vor dem Abrutschen in eine kriminelle Existenz bewahrt werden. Der »Zirkus Waldoni« bildet Jugendliche zu Artisten aller Art aus und macht auf seine Art dasselbe wie die Vaka im Pazifik: Er gibt Menschen die Möglichkeit, stolz auf das zu sein, was sie zu ihrer eigenen Überraschung können. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen sie mit Schulprojekten vor Ort, einen anderen mit der Finanzierung des Think Tanks »Denkwerk Zukunft«, mit dessen Hilfe der Soziologe Meinhard Miegel die Wachstumsdebatte ein gehöriges Stück voranbringen konnte. Und sie haben die Stiftung Futurzwei ins Leben gerufen, die Geschichten über Vorbilder des guten Lebens recherchiert und verbreitet (und die zu leiten ich das Vergnügen habe).
Die Klammer all dieser Aktivitäten ist Empowerment: die Leute bei dem zu unterstützen, was sie selbst am besten können. Das setzt Respekt vor diesem Können voraus und eine kluge Haltung, nicht besserwisserisch zu intervenieren, sondern einfach zu unterstützen, was ohnehin als Potential vorhanden ist. Und es liegt all dem ein unternehmerischer Ansatz zugrunde, kein bisschen Charity. Die »pacific voyagers« erlauben den Betreibern vor Ort, Fischerei, Transport, Fährbetrieb auf eigene Rechnung zu betreiben, unabhängig von Fischerei- und Frachtunternehmen. Und genau in diese Richtung denkt Dieter Paulmann weiter: Zusammen mit amerikanischen Stiftern will er Fischereirechte kaufen und sie den Fischern vor Ort zurückgeben, damit wieder erfolgreich lokal gewirtschaftet werden kann. Diese Strategie, die hierzulande mit dem Erwerb von Versorgungsrechten im Energiesektor von den Sladeks vorexerziert wurde, ist viel direkter als die Umwegproduktion von NGOs klassischen Typs: Statt wie Greenpeace oder Robin Wood die Unternehmen durch öffentlichen Druck zu nachhaltigerem Handeln zu veranlassen, nimmt man ihnen einfach das Heft aus der Hand und macht es anders. Besser.
Das ist ein völlig anderes Konzept als das klassische Mäzenatentum, wie es beispielsweise Warren Buffett oder George Soros betreiben. Deren Segnungen mögen fallweise extrem hilfreich sein, das Problem besteht aber nach wie vor darin, dass diese Wohltätigkeit letztlich nur stellenweise kompensiert, was großflächig an
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